Mit der Kiev 60 ist es ähnlich wie bei alten Autos. An beiden wird viel geschraubt, ausgebessert und verändert. Meine erste Kiev war auf das 6×4.5-Format umgebaut, auch bekannt als Kiev 645. Während das Volna-Objektiv 80/2.8 in erstklassigem Zustand war, zeigte das Gehäuse zahllose Farbspritzer, wie nach dem versehentlichen Aufenthalt in einer Lackierkammer. Dennoch funktionierte sie einwandfrei.
In die Lichtdichtung der Rückwand eingeklemmt fanden sich trockene Samenkörner vergangener Tage. Das Sucherokular war ins Prisma geklebt statt geschraubt. Auch wenn der äußere Zustand zu wünschen übrig ließ, funktionierte die Kamera einwandfrei. Der erste Film zeigte bis auf das kleinere Format keine Auffälligkeiten. Dennoch ging die Kamera wegen des vom Verkäufer nicht erwähnten Umbaus zurück.
Film einlegen
Beim Einlegen entwickelt Rollfilm, im Gegensatz zu Kleinbildpatronen, deutlich mehr unerwartetes Eigenleben. Ist das Siegel gebrochen, lockert sich die volle Rolle gern, falls Finger sie nicht daran hindern. Weitere Finger sind gefragt, die nach erfolgreichem Einfädeln Transporthebel und Auslöser betätigen. Wer noch nie einen Rollfilm eingelegt hat, kann mit einem Testfilm beliebig oft üben. Rollfilme werden nach der Belichtung komplett aufgewickelt, entnommen und mit einer Lasche verklebt. Auch das geht nicht immer auf Anhieb glatt von der Hand. Einen falsch eingelegten oder nicht richtig transportierten Film nach der Entwicklung abzuholen kostet ein Mehrfaches – die Enttäuschung nicht eingerechnet. YouTube Videos zeigen verschiedene Wege, die der eigenen Fingerfertigkeit beim Filmhandling entgegen kommen können.
Filmtransport
Beim Filmtransport spielen Fehlbedienungen möglicherweise die größte Rolle. Transportiert wird durch Zug, was Kraft erfordert. Mit einer Hebelbewegung müssen mindestens 60 Millimeter Film bewegt und aufgewickelt werden. Nur mit dem Daumen ausgeführt ist das nicht gut zu bewältigen und erfordert meistens Nachfassen. Dabei vollführte „Stotterbewegungen“ können Ursache von ungleichen Bildabständen oder Überlappungen sein. Nimmt man die ganze Hand mit in die Bewegung, gelingt der Transport gleichmäßig in einem Rutsch. Dann kann der Hebel ebenso bequem zurückgeführt werden. Ihn einfach zurückschnellen lassen tut der Mechanik auf Dauer nicht gut.
Zweiter Anlauf
Die zweite Kiev war äußerlich in erstklassigem Zustand. Doch der erste Film zeigte nahezu alle möglichen Fehler. Da keine Aufnahmeparameter erzeugt werden, empfiehlt es sich, Vorsorge zu treffen, um Fehler und Ursachen im Bild später eingrenzen zu können. Es reichen Notizen zu Zeit, Blende und Messmethode (extern, intern) für jede Aufnahme. Bei 12 Bildern ein überschaubarer Aufwand. Diese Informationen ermöglichen präzise Ursachenforschung und Kostenvoranschläge. Rolf-Dieter Baier überraschte mich hier ein zweites Mal und konnte die Reparaturkosten an Hand der Bilder recht genau beziffern. Für rund 150 Euro setzte er die Kamera instand (reinigen, fetten, justieren). Sie funktioniert seitdem einwandfrei.
Die Lust am analogen Mittelformat
Der kommende Beitrag wirft einen Blick auf Kauf von Kameras und Filmen sowie Dienstleister, die 120er-Filme zuverlässig entwickeln und Reparaturen durchführen. In Gegensatz zum Kleinbildformat sind Angebote fürs Mittelformat sehr übersichtlich. Der erste Teil des Beitrags findet sich hier.