Nach einem letzten Schwarzweißfilm verkaufte ich die Minox 35, die letzte analoge Bewohnerin meines Kameraschranks. Damit war das Thema durch – dachte ich. Doch auf einer Fotobörse die PentaconSix in beiden Händen zu halten, weckte die Lust am analogen Mittelformat. Und markierte den Beginn einer abenteuerlichen Entdeckungsreise.
Die auf der Fotobörse angebotenen Exemplare präsentierten sich in bemitleidenswertem, reichlich abgerocktem Zustand. Bei den Anbietern war weder Interesse noch Wissen erkennbar. Aber den Verschluss spannen und auslösen – das hatte was. Auch der Schnittbildindikator mit Mikroprismenring und das Gefühl beim Fokussieren blieben nicht ohne Wirkung. Nach dieser Begegnung war klar, dass es kein Hasselblad-Würfel, sondern die zu groß geraten wirkende Kleinbildkamera mit quadratischem Bildformat, Prismensucher und optionalem Lichtschacht sein sollte. So begrenzte sich die Auswahl auf PenatconSix und Kiev 60, deren Objektive untereinander austauschbar sind und alle Brennweiten bieten, die das Herz begehren könnte.
Nach weiteren Recherchen und Gesprächen ließ die Lust am analogen Mittelformat stark nach. Händler mit Ladengeschäft in München haben bei PenatconSix und Kiev abgewunken. Zwei gewerbliche eBay-Anbieter hatten für mehrere Kiev 60 gute Bewertungen erhalten, aber die Nachfrage offenbarte Überraschungen. Trotz einjähriger Gewährleistung boten sie keinen Service an. Einer gab unumwunden zu, keine Erfahrungen mit diesem Modell zu haben. Der andere wollte eine Wartung vermitteln – ab 200 €.
Erhellender, fundierte Erfahrung und Zuversicht vermittelnd verliefen Gespräche mit Dieter Ziegenbart in Bad Schandau und Rolf-Dieter Baier. Ziegenbart hatte sich als ehemaliger VEB-Mitarbeiter auf Reparatur und Wartung der PentaconSix spezialisiert. Nach seiner Erfahrung war verharztes Fett das Hauptproblem und „Mechanisches aus Metall fast immer reparierbar“. Kritisch sei der Tuchverschluss, weil neue Ersatzteile kaum noch verfügbar sind. Sein Rat lautete, auf eine möglichst hohe Seriennummer zu achten. Von 1967 bis 1990 wurden rund 200.000 Kameras gefertigt. Rolf-Dieter Baier blickt auf über 20 Jahre Reparaturerfahrung bei PentaconSix, Kiev 60 und Exakta 66. Nach einem ausführlichen Gespräch mit Baier stand meine Entscheidung fest: Kiev 60. Aus technischer Sicht erscheint sie im Vergleich zur PenatconSix als innovativere Konstruktion. Lichtschachtsucher und Prismensucher bieten mehr Bildfeld, zudem sind beide wesentlich heller. Die eBay-Suche führte schnell zu einem brauchbaren Exemplar.
Die Lust am analogen Mittelformat
Der kommende Beitrag fokussiert auf die ersten eigenen Erfahrungen mit der Kiev 60. Dabei zeigen sich Ähnlichkeiten zu alten Autos. Außer Batterie und Belichtungsmesser gibt es an der Kamera keine elektrischen Komponenten. Alles andere ist mechanischer Natur und Startschwierigkeiten erlauben eindeutige Diagnosen. Aber auch bei der Bedienung gibt es Stolpersteine. Dennoch, ich habe es nicht bereut, Baiers Rat gefolgt zu sein.
Die Pentacon six kenne ich aus eigener Erfahrung, es war in der DDR „die“ Profikamera. Man sollte beim Gebrauchtkauf daraus achten, das das Schätzchen aus Privatbesitz kommt und dadurch sicher viel weniger Auslösungen hat. Eine hohe Seriennummer kann nur bedingt helfen. Wenn ein Profi damit sein Geld verdient hat, hat er in kurzer zeit auch viele Aufnahmen damit gemacht. Vielleicht hat man ja mal das Glück direkt beim Vorbesitzer zu kaufen. Man sollte sich in diesem Fall mal zeigen lassen wie er den Filmtransporthebel bewegt. Viele Fotografen haben diesen Hebel einfach zurück schnipsen lassen, und das ist auf die Dauer tödlich für die damit verbundene Mechanik.
Außer bei Ebay zu suchen kann man ja mal direkten Kontakt zu Fotoclubs in den östlichen Bundesländern aufnehmen – vielleicht gibt es einen Verkäufer.