Planar, Tessar, Sonnar: Bekannte Zeiss-Objektive und über Jahrzehnte für die Kleinbildfotografie von Bedeutung. Das Tessar und sein Erfinder Paul Rudolph erlangten Weltruhm. Zum 100. Jahrestag der Erfindung verfasste Zeiss 2002 eine Festschrift. Die Objektivnamen Planar und Sonnar finden sich heute noch Programm. Doch der Name des Sonnar-Erfinders wird verschwiegen. Warum ist das so?
Das Planar stammt auch von Rudolph. Zeiss hob es beispielsweise in einem Contax-Katalog von 1982 explizit hervor – obwohl das Arbeitsverhältnis 1910 unschön endete. Zum Bruch führte vermutlich ein Streit über die Höhe von Lizenzzahlungen, zugespitzt durch die fulminante Palmos-Pleite von Rudolphs Kamerawerk. Sein Vertrag zwang ihn zu einer 10-jährigen Pause, bevor er im Alter von 62 Jahren beim Konkurrenten Hugo Meyer in Görlitz wieder als Objektivrechner anheuern durfte. Hier entstanden seine legendären Objektive Kino-Plasmat und Makro-Plasmat, wenngleich sie in keiner Weise an vorherige Erfolge anknüpfen konnten.
Kein Wort über Ludwig Bertele
Das Sonnar, um 1930 von Ludwig Bertele entwickelt, war als 50/1.5 für Contax-Sucherkameras eines der Top-Objektive des Konzerns. Bekannt wurde auch sein sogenanntes Olympia-Sonnar, mit 180 Millimeter Brennweite bei Lichtstärke F/2.8 die technischen Grenzen seiner Zeit ausreizend. Die Versionen 135/4 und 135/3.5 dürften zu den meistverkauften Zusatzobjektiven für Spiegelreflexkameras bei Zeiss zählen. Im oben genannten Contax-Katalog wird das Sonnar-Design „als bahnbrechende Telekonstruktion“ beschrieben, das „maßgeblichen Anteil an der Popularisierung der 35-mm-Kleinbildfotografie“ hatte. Kein Wort zu Bertele. Überraschend: Zeiss erwähnt zum Olympia-Sonnar den keineswegs unumstrittenen Namen Leni Riefenstahl. Ihre Filme spielten in der nationalsozialistischen Politik eine führende Rolle, unter anderem auch bei der Dokumentation der Olympischen Spiele 1936 in Berlin, die den Beinamen zum 180er Sonnar prägten.
Weitgehend versagte Anerkennung
Egal für welches Unternehmen Bertele gearbeitet hatte, firmenintern blieb ihm die Anerkennung weitgehend versagt. Das Ernostar 85/2, von ihm bei Ernemann 1923 entwickelt, revolutionierte den Foto-Journalismus. Sein Vorgesetzter versuchte die Erfindung als eigenen Erfolg auszugeben. Nach der Fusion zur Zeiss-Ikon AG gab es für den gelernten Optikrechner Bertele zunächst keine herausfordernden Aufgaben. Als Nicht-Akademiker unter promovierten Zeiss-Wissenschaftlern schien er unbedeutend. Intern geschürter Wettbewerb sowie der Zeiss-Jena-Habitus im Umgang mit dem Dresdener Anhängsel Zeiss-Ikon dürfte die Situation nicht verbessert haben. Darüber berichtet auch Gerhard Jehmlich in seinem Buch Der VEB Pentacon Dresden.
Zeitenwende
Lange Zeit wurden berühmte Objektive häufig in einem Atemzug mit ihrem Erfinder genannt. Mit dem Tessar und Paul Rudolph fand diese Tradition offenbar ihr Ende. In den 1930er Jahren überarbeitete Willi Merté die Planar-Berechnung und entwickelte daraus das Biotar 58/2. Dem Tessar verhalf er zu Lichtstärke F/2.8. Auch sein Name wird allenfalls am Rande erwähnt. Das bahnbrechende Bertele-Sonnar fiel in eine Zeit, in der ihre Erfinder kaum noch genannt wurden – außer verpflichtend in Patentschriften. Doch im Gegensatz zu sehr vielen anderen Objektiven ist der Namen Sonnar bis heute präsent – wenngleich das optische Innenleben sich grundlegend verändert hat. Ein wenig ist es so wie mit Sojamilch, nur auf Anhieb nicht so offensichtlich. Über die Parallelen von Sojamilch und Objektivnamen wurde hier berichtet. Eine Ausnahme bildet das legendäre Biogon-Weitwinkel, welches Bertele im Auftrag von Zeiss (West) in den 1950er Jahren neu berechnete. Weltbekannt wurde eine 38/4.5-Version der NASA an einer Hasselblad-Kamera durch Aufnahmen im Weltraum.