Verzögerte Entwicklung?

Endlich hat Adobe die neueste Version von Firefly für die Allgemeinheit freigegeben und zumindest in die Beta-Version von Photoshop integriert. Im Hinblick auf fotorealistische Bildergebnisse hat man nun den überdeutlichen Abstand zum Konkurrenzprodukt von Midjourney verringert und gegenüber Stable Diffusion XL sogar fast aufgeholt. Bei der Frage, warum Adobe hier so weit im Hintertreffen ist, fällt die Antwort schwer. Eigentlich hätte das Unternehmen als führende Softwareschmiede für Grafikanwendungen, die schon seit vielen Jahren an den „Sensei“ genannten KI-Diensten tüftelt, ganz selbstverständlich die Führung im Bereich der generativen Bild-KIs übernehmen müssen. Doch andere, kleinere Anbieter waren schneller. Viel schneller, um genau zu sein. Öffentlich verfügbare generative Bild-KI gibt es nun schon seit über zwei Jahren und Adobe spielt für alle sichtbar immer noch im Mittelfeld. Fragt man Branchenkenner, heißt es: Sie könnten, wenn sie wollten. Aber: Höhere Auflösungen, bessere Bildqualität, mehr Details – all das kostet derzeit noch enorm viel Rechenleistung und dementsprechend auch viel Geld, das der typische Creative-Cloud-Kunde nicht zusätzlich zu seinem bestehenden Abonnement zahlen möchte. Aus anderen Ecken hört man außerdem, dass es auch an der US-Regierung liegen soll, die bei den großen Playern – wo sie kann – auf die Entwicklungsbremse tritt, um wenigstens ansatzweise die Kontrolle zu behalten. Möglicherweise hat man dort erkannt, dass der Entwicklung von KI mehr Aufmerksamkeit geschenkt werden muss. Allein schon deshalb, damit sie nicht so destruktiv aus dem Ruder läuft wie etwa Social Media mit seinen Nebenwirkungen auf die demokratischen Prozesse oder die psychische Gesundheit großer Bevölkerungsteile. Wer selbst mit generativer KI experimentiert, merkt schnell: Es macht Spaß, das Suchtpotenzial lässt sich erahnen, und die Möglichkeiten, sich damit eigene, von der Realität losgelöste Wirklichkeiten zu schaffen, werden mit jeder Weiterentwicklung umfangreicher. Dennoch: Für alle, die auch in Zukunft in ihren (kreativen) Berufen erfolgreich sein wollen, gilt: Jetzt die Möglichkeiten ausloten und nach Kräften ausprobieren, um die Technik in Zukunft optimal nutzen zu können. Etwas ganz Ähnliches habe ich Anfang der 90er Jahre in meinen Desktop-Publishing-Seminaren unzähligen Lithografen, Schriftsetzern, Layoutern, Reinzeichnern, Fotografen und Grafikern gesagt. Damals dauerte es noch mehrere Jahre, bis die Digitalisierung ihre Berufe entweder überflüssig gemacht oder zumindest technisch völlig umgekrempelt hatte. Diesmal geht es vermutlich sehr viel schneller. Herzlichst Ihr Christoph Künne