Midjourney-Dialekt

Generative KI wird zunehmend auch ein Thema für professionelle Anwendungen. Christoph Künne war bei dem Hannoveraner Architektur-Visualisierer Axel Groß zu Besuch und hat sich mit ihm über den Einsatz der neuen Technik in seinem Metier unterhalten. DOCMA: Was macht eigentlich ein Architektur-Visualisierer? Axel Groß: Ursprünglich habe ich Architektur studiert, dann aber nie wirklich in dem Bereich praktiziert. Nach Ende des Studiums ergab sich durch meine 3D-Kenntnisse eine Nische, bei der es darum ging, den eher technischen Entwürfen von Architekten durch Licht und Beleuchtung Atmosphäre zu verleihen. DOCMA: Wie kann man sich das genau vorstellen? Axel Groß: In den 90er Jahren setzte sich CAD in der Branche durch. Es entstanden statt Zeichnungen nun digitale Daten der Projekte, die man weiter bearbeiten konnte. Da Licht einen maßgeblichen Anteil der Stimmung ausmacht, bot es sich an, die Entwürfe physikalisch korrekt beleuchtet zu zeigen. Solche Simulationen, die Tages- und Kunstlicht in die Bilder brachten, waren damals mit 3D-Software noch ein hochkomplexes Unterfangen, und ich war in dem Gebiet einfach früh dran. Inzwischen ist das längst Standard in allen 3D-Anwendungen. Doch bis sich das durchsetzte, hat es rund 15 Jahre gedauert. Als es soweit war, hatte ich meine Nische ausgebaut und mich, ausgehend von der rein technischen Umsetzung, weiterentwickelt, und war zum Spezialisten für Beleuchtungsdarstellungen geworden. DOCMA: Für welche Kunden arbeitet man dann? Axel Groß: Nachdem sich Renderings für Architekturbüros zunehmend ausdifferenzierten, habe ich mich auf Planer und Hersteller aus dem Lichtbereich fokussiert. Die benötigen auch ansprechende Bilder. Einerseits fürs Marketing, dann für die Schulung von Verkäufern, und natürlich auch Material, um Varianten zu zeigen. Das ist bis heute mein Kerngeschäftsfeld. DOCMA: Wie hat sich Dein Aufgabenbereich weiterentwickelt? Axel Groß: Nach den Nuller Jahren lange Zeit kaum noch. Da inzwischen die meisten Workstations in der Branche über riesige Mengen an Arbeitsspeicher und Hochleistungs-Grafikkarten verfügen, steigt seither im Grunde nur die Komplexität der Anforderungen. Wurden früher zum Beispiel ein paar wenige Einrichtungsgegenstände in die Visualisierung integriert – schlicht, weil dann der RAM voll war – sind es heute extrem ausgearbeitete und detailfreudig gestaltete Interior-Designs. Die zu rendern, geht inzwischen relativ schnell. Was dagegen exponentiell ansteigt, ist die Detailarbeit bei solch komplexen Projekten. Um die nötigen 3D-Elemente zu bauen und zu texturieren, ist enorm viel Zeit nötig. Ende der 2010er Jahre, also kurz vor Corona, wurde es für mich als freiberuflichen Mehr-oder-Minder-Einzelkämpfer schwieriger, die immer umfangreicheren Projekte allein in den vorgegebenen Zeitrahmen zu stemmen. Ich stand im Grunde vor der Entscheidung, entweder Manager zu werden, Mitarbeiter einzustellen und dann – wegen der hohen laufenden Kosten – vor allem für die nötigen Aufträge zu sorgen, um das System am Laufen zu halten. Oder als One-Man-Show in absehbarer Zeit vom Markt gefegt zu werden. Dann kam Corona und anschließend wurden die Karten 2022 mit der generativen KI neu gemischt. DOCMA: Wie das? Axel Groß: Mit den passenden KI-Tools wird es absehbar wieder so sein, dass man ein höheres Arbeitsvolumen und komplexe Detailausarbeitungen auch als Einzelunternehmer bewältigen kann. Allerdings besteht die Gefahr, dass sie auch den Kreativen selbst abschaffen, wenn die Kunden meinen, sie könnten das jetzt allein. Ende 2022 ließen die ersten KI-Tools erahnen, wie die Technologie bald produktiv nutzbar wäre. Ich habe viele Dienstleister beobachtet, die so taten, als wäre nichts geschehen, und hofften, ihre Kunden würden das nicht merken. Dabei konnte man an einer Hand abzählen, dass es nicht lange dauern würde, bis KI als Thema auch für den Laien interessant wäre und die Kunden dann etwas dazu in allen Publikumsmedien lesen würden. Weil ich mit meinen Kunden auf einer sehr ausgeprägten Vertrauensbasis arbeite, entschied ich mich früh dazu, mein Wissen mit ihnen zu teilen und habe ihnen ganz offen die Frage gestellt: Was machen wir jetzt? Meine Offenheit wurde glücklicherweise sehr positiv aufgenommen. Mit einem Kunden haben wir gemeinsam entschieden, an einem Testprojekt die Möglichkeiten und Grenzen auszuloten. DOCMA: Woraus bestand das Projekt? Axel Groß: Das war, aus konventioneller Sicht betrachtet, ein Horror-3D-Projekt extremer Komplexität, das ich mit KI-Hilfe innerhalb eines überschaubaren Zeitraums umsetzen konnte. Dabei ging es um Ansichten eines Museums zum Thema Maya-Zivilisation. Die Ausgangsbilder für die Sets entstanden mithilfe der KI. Da ich der aber nicht sagen kann: „Setz da an die Ecke und dort in die Decke die Leuchten eines bestimmten Herstellers ein“, habe ich die für die professionelle Darstellung nötigen Details in 3D gebaut und dort beleuchtet, um sie schlussendlich in Photoshop einzumontieren. DOCMA: Was hast Du dabei an Erfahrungen gewonnen? Axel Groß: Zunächst einmal, dass es ganz neue Herausforderungen gibt. Wenn ich in 3D arbeite, gibt es wenig „Verschnitt“. Das heißt, ich plane und gestalte eine ideale Szene und fülle sie mit Details. Heraus kommt dann ein einziges Motiv. Mit den KI-Tools erzeuge ich eine große Reihe von Varianten und muss viel Zeit mit dem sogenannten Culling einplanen, also der Auswahl der besten Resultate für die anschließende Weiterbearbeitung. Wie sich zeigte, ist das, neben ausführlicher Recherche vorab, fast wichtiger als das Prompten an sich. DOCMA: Welche KI-Werkzeuge bevorzugst Du bei so einer Aufgabe? Axel Groß: Meine ersten, wenig befriedigenden Erfahrungen hatte ich schon früh mit Dall·E gemacht. Danach bin ich bei Stable Diffusion gelandet und habe mich tiefer darin eingearbeitet. Aber wegen der Qualität bin ich inzwischen mehr oder weniger auf Midjourney abonniert. Nicht, dass Ähnliches mit dem neuen Stable Diffusion XL nicht auch möglich wäre, doch wenn die Aufgaben komplexer sind, schießt man sich am besten auf die Terminologie und die Besonderheiten eines zentralen Werkzeugs ein. Aktuell prompte ich am eloquentesten im Midjourney-Dialekt. Was aber vermutlich am wichtigsten war im letzen Jahr: Neben der reinen Prompt-Technik habe ich vor allem gelernt, wie ich in Zukunft Angebote formulieren muss, wie sich solche Aufträge kalkulieren lassen, was bei derartigen Projekten beim Austausch mit Auftraggebern anders ist und an welchen Schrauben ich meinen Workflow noch optimieren kann und muss. Für mich selbst aber am wichtigsten ist: Dank der KI kann ich weiter Freiberufler bleiben. Und das örtlich flexibel, weil sich vieles auch mit einem Notebook erledigen lässt. Das macht mich viel unabhängiger vom heimischen Schreibtisch, an dem die Hochleistungs-Workstation steht. Axel Groß entwickelte nach dem Architekturstudium und als Absolvent einer Filmhochschule eine starke Leidenschaft für Licht, Kulissen und Szenografie. Er arbeitet seit über 20 Jahren freiberuflich als Art Director und CG-Designer für Kunden wie Autodesk, ERCO, MetaDesign, Thonet und viele mehr. Mehr Infos:www.yesweprompt.de/axelgrosswww.electricgobo.com