Das Hauptmotiv betonen

Bei den meisten Fotos und Montagen will ein Fotograf oder Künstler den Blick auf bestimmte Details oder Bildregionen lenken. Dafür gibt es im Prinzip nur drei Möglichkeiten. Die meisten Bilder haben ein erkennbares Hauptmotiv, auf das der Fotograf oder Künstler das Augenmerk des Betrachters lenken möchte. Um das zu erreichen, gibt es verschiedene Strategien. Die offensichtlichste ist bei Fotos die, das Motiv im Fokus zu behalten, also scharf zu stellen. Je weiter die Blende geöffnet wird, umso geringer ist die Schärfentiefe und umso höher ist die Trennung von Motiv und Hintergrund. Um diese und andere Arten der Separation geht es in diesem Artikel. Denn deren Möglichkeiten beschränken sich nicht nur auf Schärfe und Unschärfe. Sie lenken die Aufmerksamkeit des Betrachters zusätzlich durch Helligkeit und Kontrast, Farbton-Kontraste und Helligkeitsunterschiede sowie durch Sättigungsunterschiede und durch mehr oder weniger Plastizität und Struktur der Bildkomponenten. Die Durchführung Im »Effekte« und im »Maskieren«-Bereich von Camera Raw und Lightroom (also Lightroom und Lightroom Classic) finden Sie alle Werkzeuge, die Sie für das Umsetzen der im Folgenden gezeigten Prinzipien zum Betonen des Hauptmotivs benötigen. Die Vorgehensweise ist einfach: Sie erzeugen (dank KI oft mit nur einem Klick) eine Maske des Hauptmotivs und verstärken eine Einstellung. Danach duplizieren Sie die Maske, kehren Sie um und nehmen genau die entgegengesetzte Einstellung vor. Achtung: Im Folgenden sind alle Eingriffe übertrieben dargestellt. In der Praxis reichen meist schon subtile Änderungen aus, um den Bildeindruck zu verbessern. Die drei Separations-Prinzipien Zwar gibt es in Camera Raw und Lightroom viele Parameter, aber um das Motiv vom Hintergrund abzuheben, stehen nur drei prinzipielle Stellschrauben zur Verfügung: Helligkeit/Kontrast Farbe, also Farbton und Sättigung Struktur und Details Helligkeit und Kontrast 01 Vignette dunkel Eine Vignette ist die einfachste Form der Motiv-Hervorhebung. Eine Randabdunklung (oder eine Aufhellung des Zentrums) zieht den Blick zur Bildmitte. Eigentlich ein Objektivfehler, der per Profil oder manueller Objektivkorrektur häufig korrigiert wird, ist die abdunkelnde Randvignette auch ein beliebtes Stilmittel. Sie setzen es in Camera Raw, Lightroom und Lightroom Classic am einfachsten über die »Vignette«-Regler im »Effekte«-Panel ein. 02 Vignette hell Das Aufhellen der Bildränder betont ebenfalls die Bildmitte. Vor allem im Zusammenhang mit einer Schwarzweiß-Konvertierung und einer Sepiatönung erzeugen Sie damit einen Vintage-Look, also den Anschein, ein altes Foto vor sich zu haben (a). Für eine aufhellende Vignette ziehen Sie den gleichnamigen Regler nach rechts statt nach links. Mit einem geringen Wert für »Weichheit« erzeugen Sie eine Art Passepartout (b). 03 Motiv: Hell-Dunkel-Kontrast Anders als bei der Vignette arbeiten Sie hier nicht mit Verläufen, sondern mit einer genaueren Auswahl – beispielsweise mit der KI-basierten Motivauswahl –, um das Hauptmotiv zu betonen. Hellen Sie das Hauptmotiv auf und dunkeln Sie den Hintergrund ab. Alternativ oder auch zusätzlich erhöhen Sie den Kontrast des Hauptmotivs selbst und senken den des Hintergrunds. 04 Motiv: Dunkel-Hell-Kontrast Bei einem dunklen Hauptmotiv vor einem hellen Hintergrund gehen Sie im Prinzip wie in Schritt 3 vor, nur eben umgekehrt. Sie dunkeln also das Motiv weiter ab und hellen den Hintergrund zusätzlich auf, um beides voneinander zu separieren. Subtile Änderungen können bereits eine große Wirkung haben. Sie müssen es also nicht so übertreiben, wie wir es hier zur Verdeutlichung tun. Farbe 05 Sättigung: Color-Key Wie die Helligkeit, so ziehen auch gesättigte Farben die Aufmerksamkeit auf sich. Das erklärt übrigens eines der beliebtesten Stilmittel bei Bildbearbeitungseinsteigern: das Color-Key. Dabei wird alles außer dem Hauptmotiv oder gar einer einzelnen Hauptfarbe komplett entsättigt, sodass keine anderen Farben mehr davon ablenken können. 06 Color-Key subtiler Sie müssen die Sättigung aber natürlich nicht so brachial einsetzen wie beim Color-Key. Schon ein leichtes Erhöhen der Sättigung des Hauptmotivs und ihr leichtes Reduzieren im Hintergrund kann helfen, das Motiv hervorzuheben. Mit dem »Farbmischer« in Camera Raw und Lightroom können Sie auch die Sättigung störender Farben leicht reduzieren. 07 Farbton Mit einer selektiven Bearbeitung von farbigen Vorder- und Hintergründen können Sie den Farbabstand der dominierenden Farben vergrößern, um das Hauptmotiv zu betonen. Dafür bieten sich im »Maskieren«-Bereich die Parameter »Weißabgleich« und »Punktfarbe« an. Im Beispiel habe ich die Gelb-/Grüntöne des Hintergrunds in Richtung Blau verschoben, um einen höheren Farbkontrast zum Rot/Orange des Hirschbockfells zu erhalten. 08 Farbton: Komplementärfarbe Den höchsten Farbtonkontrast erhalten Sie, wenn der Hintergrund in der Komplementärfarbe des Hauptmotivs getönt wird. Nicht umsonst ist bei Kinofilmen der Teal-Orange-Look so beliebt, denn Türkis bildet den maximalen Kontrast zu Hautfarben und erlaubt damit die beste Separation von Schauspielern und Hintergrund. Struktur und Details 09 Unschärfe-Vignette Ein Hintergrund mit einer deutlich zum Hauptmotiv abweichenden Struktur kann zur Separation beitragen, ohne auf große Farb- und Helligkeitsunterschiede zu setzen. Schneller, aber weniger realistisch als mit der »Objektivunschärfe« (siehe nächster Schritt), können Sie mit der »Iris-Weichzeichnung« in Photoshop die Bildränder selektiv soften. 10 Objektivunschärfe Detailreiche Hintergründe lenken vom Hauptmotiv ab. Ein lichtstarkes Objektiv ermöglicht schon beim Fotografieren durch Aufblenden das Weichzeichnen solcher Details. Mit dem Panel »Objektivunschärfe« ist es in Camera Raw und Lightroom wie im Beispiel auch nachträglich dank KI möglich, den Hintergrund in realistischer Anmutung zu soften. Nur bei feinen Details wie fliegenden Haaren oder Zweigen muss man (noch) Abstriche machen. 11 Klarheit Mit dem »Klarheit«-Regler ändern Sie in Camera Raw oder Lightroom den Lokalkontrast. Höhere Werte erhöhen die Plastizität eines Objektes, niedrige Werte sorgen für einen flacheren Eindruck. Das können Sie sich zunutze machen, um Hauptmotiv und Hintergrund zu separieren, indem Sie die Klarheit für ersteres erhöhen und für letzteren senken. 12 Struktur/Detailschärfe Feinere Strukturen als die durch »Klarheit« beeinflussten verändern Sie mit »Struktur« und »Schärfe«. Durch Schärfen des Hauptmotivs betonen Sie dieses gegenüber dem Rest des Bildes. Den Hintergrund können Sie leicht soften, indem Sie die jeweiligen Schieberegler nach links statt nach rechts bewegen. Alle in diesem Artikel genannten Möglichkeiten lassen sich natürlich frei kombinieren, um Objekt und Hintergrund zu separieren.