50 Jahre Digitalfotografie (Teil 1)

1975 entstand in einem Entwicklungslabor von Kodak die allererste Digitalkamera. Nach einem langsamen Start revolutionierte diese Technologie die Fotografie und führte zu disruptiven Veränderungen im Fotomarkt. Inzwischen jedoch haben Smartphones die klassische Digitalkamera in eine Nische verdrängt. Es ist Zeit für einen historischen Rückblick, meint Michael J. Hußmann. Die Fotografie war in ihren ersten 150 Jahren analog, wenngleich sie damals niemand so nannte. Die analoge Fotografie war chemische Fotografie; sie basierte darauf, dass die Energie des Lichts chemische Reaktionen wie die Umwandlung von Silbersalzen in Silber auslöste. Der Entwickler verstärkte diesen Prozess und ein Fixierbad stabilisierte schließlich das Ergebnis. Eine erste elektronische Alternative entstand schon in den 1920er Jahren in Gestalt von Bildaufnahmeröhren wie dem Ikonoskop, nur dachte man dabei noch nicht an die Fotografie. Solche elektronischen Bildwandler waren für TV-Übertragungen nötig, galten aber nicht als Konkurrenzt für das Kino und erst recht nicht für die Fotografie. 1975–1994: Das CCD und die Folgen Als ein halbes Jahrhundert später Bildwandler auf Halbleiterbasis erfunden wurden, schien das zunächst nicht viel zu verändern. Die in den Bell Laboratories entwickelten und seit 1973 von Fairchild produzierten CCDs waren kompakter als die etablierten Bildaufnahmeröhren und verbrauchten weniger Strom, leisteten aber ansonsten nicht mehr als diese. So dachten auch die Manager bei Kodak. Dennoch gaben sie 1974 ihrem Ingenieur Steven J. Sasson den Auftrag, nach Anwendungsmöglichkeiten für die neuartigen Chips zu forschen. Dass er in der Folge die Digitalkamera erfinden würde, war nicht geplant gewesen. 3,6 Kilo schwer, aber prinzipiell tragbar: die erste Digitalkamera, erfunden von Steven J. Sasson bei Kodak. Wohlgemerkt ist das CCD (Charge-Coupled Device) selbst ein analoges Bauelement. Seine Sensorpixel, von denen Fairchilds erste Chips nur 0,01 Megapixel auflösten, wandeln auftreffendes Licht in eine dazu analoge elektrische Ladung um, die sie in einem Kondensator speichern. Für ein Digitalbild müssen die Ladungen in den Pixeln erst noch digitalisiert und gespeichert werden. Ende 1975 konnte Steven J. Sasson seinen Auftrag als erfüllt melden, denn er hatte die erste Digitalkamera entwickelt. Die erste tragbare Digitalkamera, genauer gesagt, wenngleich sie 3,6 Kilo wog. Für die Speicherung einer Aufnahme brauchte sie 23 Sekunden, was dem langsamen Speicher anzulasten war – einem Kassettenrekorder, wie ihn einige Jahre später auch die ersten Heimcomputer nutzen würden. Weitere 23 Sekunden vergingen, bevor das Schwarzweißbild auf einem angeschlossenen Fernsehbildschirm erschien. Eine Notiz Bryce E. Bayers, in der er die Erfindung des nach ihm benannten Farbfiltermusters festgehalten hat Kodak entwickelte 1994 die Apple QuickTake 100. Kodaks Management war zunächst ratlos, was mit Sassons Erfindung anzufangen wäre, meldete sie 1977 aber sicherheitshalber zum Patent an. Die Technologie wurde dann zwar für wissenschaftliche, industrielle und militärische Zwecke eingesetzt, aber nicht in Produkten für Fotografen. Erst 1994 kam eine von Kodak entwickelte Digitalkamera auf den Markt, die Apple QuickTake 100 mit 0,3 Millionen farbigen Pixeln. Unabhängig von Sasson, aber gleichzeitig mit dessen Erfindung der Digitalkamera, hatte sein Kollege Bryce E. Bayer das später nach ihm benannte Farbfiltermuster erfunden, dank dem ein einziger Sensor mit einer einzigen Belichtung Farbbilder aufnehmen konnte. Dazu wären sonst drei Bildwandler und ein Prisma als Strahlenteiler für rotes, grünes und blaues Licht nötig gewesen. Als Vorläufer der Digitalkameras hatte es schon in den 1980er Jahren sogenannte Still-Video-Kameras gegeben, die ebenfalls CCDs als Bildwandler nutzten und Bilder elektronisch speicherten. Sie waren aber noch enger mit analogen Camcordern als mit Digitalkameras verwandt. Um ihre Aufnahmen zu digitalisieren, brauchte man einen Computer mit einem Frame Grabber, wie er auch für den Import analogen Videomaterials eingesetzt wurde. Still-Video-Kameras wie die Canon ION-Modelle waren Verläufer der Digitalkameras.