Wenn spiegellose Kameras mit alten Objektiven zicken
An einer digitalen Spiegelreflexkamera ist das manuelle Fokussieren die einzige Herausforderung, alles andere funktioniert weitgehend wie gewohnt. Spiegellose Kameras bieten viele zusätzliche Hilfsmittel. Mit Originalobjektiven funktionieren sie reibungslos, doch bei adaptierten alten Objektiven gibt es Überraschungen, wenn die gewohnte Funktionalität plötzlich nicht mehr vorhanden ist – oder zunächst tief im Menü aktiviert werden muss.
Viele spiegellose Kameras brauchen im Menü die Einstellung „Auslösen ohne Objektiv“, was bekannt sein dürfte. Dafür sorgen asiatische Adapter-Anbieter in ihren Produktbeschreibungen, um Reklamationen zu vermeiden. Einige Kameras kennen diese Einstellung nicht, dort sind andere Klippen zu umschiffen. Die Sucherlupe muss fast immer manuell aktiviert werden, in der Regel sind dafür Tasten vorkonfiguriert – oder sie müssen erst definiert werden. An Olympus OM-D-Kameras bleibt die Lupe ansonsten verborgen. Für Nikon Z-Modelle ist es empfehlenswert, eine zusätzliche Taste zu konfigurieren, das macht die Lupe komfortabler bedienbar. Endlich einsatzbereit erschließt sich der Nutzen der Vergrößerung im elektronischen Sucher recht schnell. Die Vorteile des Fokuspeakings sind dagegen nicht unbedingt auf Anhieb erkennbar, zunächst zeigt sich nur buntes Flimmern. Wie man es bändigt und zielgerichtet einsetzt, erklärt dieser Beitrag.
Unliebsame Unterschiede
Spiegellose Kameras und manuelles Fokussieren funktioniert oft unterschiedlich gut. Jeder Hersteller wählt einen etwas anderen Weg, der im Gegensatz zu komfortabel und durchdacht implementierten Autofokus-Funktionen überraschend umständlich sein kann. Die Unterschiede liegen im Detail und Kritik könnte nach Erbsenzählerei klingen. Dennoch entscheiden Kleinigkeiten, wie gut manuell fokussierte Fotos gelingen.
Sonderfall Fuji
An Fuji-X Kameras sind kaum Funktionsabweichungen bei der Nutzung von Autofokus-Optiken und adaptierten Fremdobjektiven feststellbar. Ob die Summe aller guten Eigenschaften der Tatsache zu verdanken ist, dass Fuji einen eigenen Adapter für Leica-M-Objektive anbietet und sich mit den Voraussetzungen für erfolgreiches manuelles Fokussieren beschäftigt hat, bleibt eine Vermutung.
Fokuspunkt verschieben
Anfangs kann es passieren, dass in der Lupenvergrößerung der Überblick im Sucher verloren geht. Dann kann das kurze Antippen des Auslösers helfen, die Lupe auszuschalten und den gewählten Punkt wieder im Kontext anzuzeigen. Manchmal hilft auch ein Druck auf eine hoffentlich bekannte Taste, die den Fokuspunkt in die Bildmitte befördert. Diese Möglichkeiten sind je nach Hersteller unterschiedlich komfortabel erreichbar – und mit adaptieren Fremdobjektiven teilweise nicht mehr vorhanden oder abgrundtief im Menü verborgen.
Sonderfall Sony
Besonders krass fallen die Unterschiede an der Sony A7II auf. Der Fokusmodus DMF (Direktes manuelles Fokussieren) in Verbindung mit dem Fokusfeld „Flexible Spot“ und Originalobjektiven bietet jeden erdenklichen Komfort. Beim manuellen Fokussieren mit adaptieren Fremdobjektiven bleibt nichts davon übrig und das macht es zu einer mühseligen Angelegenheit. Was Erinnerungen an das bekannte Monopoly-Spiel und die unbeliebte Ereigniskarte weckt: „Gehen Sie zurück auf Los, gehen Sie direkt dorthin, ziehen Sie keine …“.
Wiedergabekomfort
Einige Kameras markieren den gewählten Fokuspunkt bei der Wiedergabe. Gelangt man im Wiedergabemodus mit einem Knopfdruck auf den zuvor fokussierten Punkt in 100-Prozent-Ansicht, so ist schnell die Aufnahme mit der optimalen Schärfe ermittelt. Bei Fuji-X- und Nikon-Kameras ist das eine Selbstverständlichkeit. Die Olympus OM-D Modelle beherrschen den Trick nur mit Originalobjektiven. Etlichen anderen Kameras sind solche Feinheiten gänzlich unbekannt, vielfach erfolgt nur eine undefinierte Vergrößerung in die Bildmitte.
Funktionsvergleich
Funktioniert etwas nicht wie beschrieben oder anders als erwartet, sorgt ein Funktionsvergleich mit Original- und Fremdobjektiv für Klarheit. Bei der schnellen Orientierung helfen Kamerahandbücher mit einer Übersicht aller Bedienelemente, die per Link zu Funktionsbeschreibungen und Einstelloptionen führen. Manche Hersteller weisen dabei auf mögliche Einschränkungen hin und vermeiden damit die eine oder andere unliebsame Überraschung. Andere überlassen es den Lesenden, mögliche Wechselwirkungen selber zu erkunden. Und viele Verfasser von Handbüchern scheinen davon auszugehen, dass nur mit systemeigenen Autofokusobjektiven manuell fokussiert wird.
Konfiguration sichern
Spiegellose Kameras bieten viele individuelle Konfigurationsmöglichkeiten fürs manuelle Fokussieren. Im Laufe der Zeit werden die vorgenommenen Anpassungen umfangreicher und weiter verfeinert. Firmware Updates bringen oft willkommene Verbesserungen, doch sie vernichten die bisherige Konfiguration. Ein leerer und in einer Kamera vergessener Akku kann für einen ähnlichen Effekt sorgen. Lassen sich vorgenommene Einstellungen nicht über die Kamera sichern, ist es sinnvoll, Änderungen schriftlich festzuhalten. Auch wenn durch ein Update Menüstrukturen geändert werden, sind halbwegs aktuelle Notizen besser als wieder bei null anzufangen. Denn viele Anpassungen kommen erst wieder ins Bewusstsein, wenn sie beim Fotografieren nicht mehr wie gewohnt erreichbar sind. Und je gründlicher Funktionen im Hauptmenü versteckt waren, desto geringer ist die Wahrscheinlichkeit, sie spontan wiederzufinden.
Manuell fokussieren
Worauf es beim manuellen Fokussieren mit einer Digitalkamera noch ankommt, wie sich vorhandene Hilfsmittel optimal nutzen lassen und welche Vor- und Nachteile verschiedene Kamerasysteme mit adaptierten Fremdobjektiven aufweisen, beschreibt das E-Book „Manuell fokussieren mit Digitalkameras und manuellen Objektiven“ auf über 160 Seiten ausführlich. Es zeigt auch, wie man die eine oder andere Einstellung überlistet und bietet Fokus-Übungen für zu Hause und unterwegs. Für 8,99 Euro ist es bei Amazon erhältlich. Mit der kostenlosen Kindle-App für Android, iOS und PC lässt es sich auf fast jedem Gerät lesen.