Neckermann, Exakta und das Exaktar 55/1.8
Mit dem Exaktar 55/1.8 lässt sich passabel fotografieren. Auf verschlungen Wegen kam es zu Neckermann und wurde im Katalog als Billig-Linse verramscht. Sein Name ist geschickt gewählt und assoziiert Nähe zur einst bekannten Marke Exakta. Doch für diese Kameras gab es keine Objektive mit diesem Namen. Heute das Exaktar meistens sehr günstig zu haben.
Artgerechter Einsatz
Um es schlecht aussehen zu lassen, ließen sich Ziegelmauern oder Fliesen bei Offenblende mit einem 60 Megapixel Vollformatsensor ablichten. Fies von der Seite einfallendes Licht, möglichst ohne Streulichtblende am Objektiv, zwingen den Kontrast garantiert in die Knie. Der Garant für flaue Fotos schlechthin. Artgerecht eingesetzt gibt es wenig zu bemängeln. Das Exaktar 55/1.8 kann gut mithalten. Auch am Vollformatsensor, kleinere Sensoren picken sich so wie so nur das Beste vom Bild heraus. Warum das so ist, wurde hier gezeigt. Die Exatar-Haptik nimmt es mit aktuellen Kit-Objektiv auf, trotz einiger Plastikteile. Der Fokusring läuft auch nach 40 Jahren geschmeidiger als manch ein moderner Fokus-by-wire Mechanismus.
Neckermann
Der klassische Katalogverkäufer Neckermann verfolgte bei Fotoartikeln eine etwas andere Strategie als sein Konkurrent Quelle, der hauptsachlich auf Handelsware setzte. Der Frankfurter Versender bot primär Kameras und Objektive bekannter Markenhersteller wie Exakta, Praktica, Ricoh, Yashica, und Zenit an. Gut versteckt („Ohne Bild“) wurden im Katalog von 1979 zu Praktica Kameras auch zwei Zeiss-Objektive angeboten: Stückpreis 229 D-Mark. Und eine Seite weiter ein Brennweiten-identisches Exaktar-Set (35/135 Millimeter) für nur 168 D-Mark. Was bei Kamerapreisen von 300 bis 400 D-Mark harmonischer wirkt – wohlgemerkt einschließlich 50er Standard-Optik von Zeiss oder Pentacon. Neben diesen Produkten finden sich auch Kameras und Objektive von Cosina im Katalog, die Hintergründe der OEM-Geschäfte erhellt dieser Beitrag. Bunt gemischt waren dagegen M42-Billigangebote, Exaktar war nur eine von vielen Handelsmarken und ist ebenfalls ein typisches OEM-Produkt.
Wie die Marke Exakta zu Neckermann kam
Johan Steenemann gründete 1912 in Dresden die Firma Ihagee, ein Kunstwort aus Industrie- und Handelsgesellschaft mbH. Seine erste Exakta Kamera kam 1933 auf den Markt. Nach dem Zweiten Weltkrieg zeigt die Unternehmensgeschichte deutliche Parallelen zu Zeiss. Der Neugründung 1960 in Frankfurt (Ihagee Kamerawerke) folgte ein langer Rechtsstreit. Die Namenrechte wurden dem westdeutschen Unternehmen zugesprochen – an die früheren Erfolge ließ sich dennoch nicht anknüpfen. Bis zum Konkurs 1975 handelte die Ihagee AG überwiegend mit Kameras aus japanischer Produktion, die nur noch den Namen Exakta trugen. Sehr ausführlich, kompetent und gut bebildert beschreibt Horst Neuhaus die Geschichte der Nachfolger auf seinen Exakta-Webseiten. Neckermann nutzte den bekannten Markennamen und ließ jetzt Exakta-Kameras mit M42-Anschluss in Japan fertigen. Schließlich hatte man in den 1960er Jahren auch mal das Original verkauft. Der Katalog Herbst/Winter 1978 präsentierte drei Modelle. Ein halbes Jahr später im neuen Katalog waren nur noch unter den Restposten zwei Exakta Kameras mit exotischem Topcon-Bajonett im Abverkauf, technisch zum längst abgelösten Exakta-Anschluss identisch. Die Wettbewerber Porst und Quelle favorisierten bereits das erfolgreichere und unkomplizierter zu handhabende Pentax-Bajonett – gerettet hat sie auch das nicht mehr.
Exaktar-Objektive
Der Name erschließt sich nicht auf Anhieb – oder eben doch. Ein Objektiv mit der Bezeichnung Exaktar (1:3,5 bei 5 cm Brennweite) tauchte in den 1930er Jahren für Exakta-Kameras auf, hergestellt von Hugo Meyer in Görlitz. Ansonsten gab es eine sehr große Auswahl bekannter Objektive namhafter Hersteller mit Exakta-Bajonett. Insofern scheint die Neckermann-Namensbildung naheliegend: Exaktar als das Objektiv zur M42-Exakta. Klingt nicht schlecht, ist plausibel und nutzt den Bekanntheitsgrad der einst begehrten Marke. Viel mehr schien damals im Hinblick auf Objektive nicht wichtig zu sein, allenfalls noch die Anzahl der Linsen – wenngleich der Katalog vollmundig „Die Optik macht das Bild“ verkündete. Wie lange Exatar-Objektive im Neckermann Programm waren, ist nur über intensives Katalogstudium ergründbar. Aber anders als bei Katalogen von Foto Quelle sind nur wenige verfügbar. Einen weiteren zu Anhaltspunkt Exaktar-Objektiven liefert diese Website, doch nicht mehr als eine Handvoll sind dort nicht genannt.
Fazit
Zugegeben, gesucht habe ich das Exaktar 55/1.8 nicht. Es kam in einem Konvolut mit anderen Objektiven zu mir. Und es dauerte eine Weile, bis ich auf die unscheinbare Linse aufmerksam wurde. Dazu beigetragen hat ihr vermeintlicher historischer Hintergrund – mit dem sie, wie sich herausstellte, kaum mehr als gewollte Ähnlichkeit des Namens gemeinsam hat.