Ein klassisches OEM-Objektiv: Cosina 50/1.7
Original Equipment Manufacturer, kurz OEM, produzieren Güter, die andere Firmen unter eigenen Namen verkaufen. Das Cosina 50/1.7 war ein typischer Vertreter. Heute ist dieses Geschäftsmodell unter anderem auch bei Computern verbreitet, aber im Gegensatz zu früher vergleichsweise transparent. Zur Blütezeit der analogen Fotografie wurde es gerne genutzt, um den Massenmarkt zu bedienen. M42-Komponenten eigneten sich durch ihren universellen Anschluss besonders gut. Vielfach blieb der Hersteller ein Geheimnis. Um das Geschäft mit OEM-Objektiven ranken unzählige Behauptungen, Gerüchte, Mythen und Vermutungen.
Wer ging mit wem ins Bett?
Namhafte Kamerahersteller kauften (möglicherweise) OEM-Objektive oder vergaben die Fertigung als Auftrag, um Lücken im Sortiment zu schließen, für die sich eine eigene Entwicklung und Produktion nicht lohnte. Bekannte Handelsunternehmen wie Porst, Foto Quelle und viele andere, stellten ihr komplettes Angebot auf diese Weise zusammen. Anfangs noch in Westdeutschland gekauft, dann in der DDR (beispielsweise die hier vorgestellten) und später, getrieben vom zunehmenden Preis- und Konkurrenzdruck, in Japan. Das zunächst gut sichtbare Label „Made in Japan“ verschwand irgendwann. „Made in Korea“ war dagegen – wenn überhaupt – unauffällig an wenig prominenter Stelle in kleinen Buchstaben ins Metall geprägt. Heute existieren noch unzählige namenlose M42-Objektive aus dieser Zeit, nicht wenige davon ohne jegliche Herkunftsbezeichnung und vielfach von optisch und mechanisch fragwürdiger Qualität – pay peanuts, get monkey.
Cosina 50/1.7: Scherbe, Flaschenboden oder was?
Hersteller von OEM-Objektiven waren Cosina, Komine, Komura, Tokina, Tomioka und andere. Cosina gehört zu den wenigen Herstellern, die seit 1968 eine eigene Glashütte betreiben und Produkte auch unter eigenen Namen verkaufen. Inzwischen hat Cosina den Namen Voigtländer mit Heliar-, Nokton- und Ultron-Objektiven wieder aufleben lassen. Zweifelsohne ist das Cosina 50/1.7 kein Geheimtipp, doch mitunter günstig zu haben. Über sein optisches Innenleben ist wenig bekannt, was auf viele OEM-Objektive dieser Ära zutrifft. Es soll aus sechs Linsen bestehen, arrangiert in (vermutet) vier Gruppen. Auch das Oreston von Meyer Görlitz und die erste Version vom Zeiss Pancolar folgten diesem optischen Aufbau. Wer es genau wissen will, muss sein Cosina zerlegen.
Als Hausmarke bei Photo Porst?
Mit hoher Wahrscheinlichkeit war das Cosina auch als „Porst Color Reflex 50/1.7“ in Deutschland zusammen mit einer Kamera erhältlich. Die Website Kamera-Geschichte bietet eine Fülle von Informationen zu Photo Porst, dem einst „größten Photohaus der Welt“. Auch wenn die Zusammenstellung altbacken wirkt, ist das Stöbern spannend. Cosina ist dort als Hersteller von Hausmarken für Porst mit verschiedenen Produkten aufgeführt. Seinerzeit war die Angabe „sechslinsiges Objektiv“ in diesem Marktsegment üblich. Weil man sie für ausreichend hielt oder von weitergehenden Vergleichen abhalten wollte – sechs Linsen sind sechs Linsen.
Neckermann
Als Abgrenzung zum Mitwettbewerb setzte Neckermann bei Spiegelreflexkameras und Objektiven auf bekannte Markennamen. Im Katalog von 1979 finden sich auch Sets von Cosina mit besagtem Objektiv, garniert mit einem für die Zeit typischen Slogan: „Kenner kaufen Cosina“. Als günstige Ergänzung bot man eine überschaubare Auswahl üblicher OEM-Objektive als Handelsware unter mehr oder weniger fantasievollen Namen an, wie Exaktar oder Weltblick
Marketing-Lichtstärke
Minolta hatte seit 1973 Objektive mit vergleichbaren Eckdaten im Programm: ein bisschen größer, etwas schwerer und im 6/5-Design. Insofern könnten die Vermutungen zum Cosina-Design zutreffen: etwas kleiner, ein wenig leichter und deutlich billiger. So verlockend Lichtstärke F/1.7 klingen mag, fürs Marketing dürfte sie nützlicher gewesen sein als bei der Bildgestaltung. Lichttechnisch sind die Unterschiede zwischen Blende F/1.7, 1.8 oder 1.9 nicht der Rede wert. Insbesondere wenn ein Objektiv bei Offenblende kaum zu gebrauchen ist. Das Cosina 50/1.7 verfügt neben einem A-M-Umschalter auch über eine feingestufte Rastblende, die bereits bei (geschätzt) f/2.0 beginnt. Schon leichtes Abblenden macht sich positiv im Bild bemerkbar. Ist der Erhaltungszustand akzeptabel, spricht wenig gegen einen Kauf, insbesondere wenn der passende Adapter bereits vorhanden ist. Kriterien zur Beurteilung des Erhaltungszustands finden sich hier.