Echtes Filmkorn und digitale Fotografie
Erst mit der Erfindung des Farbfilms bekam die Schwarzweiß-Fotografie einen eigenen Namen, zuvor war es die einzig mögliche Art zu fotografieren. Auch in der digitalen Fotowelt haben Schwarzweiß-Konvertierungen einen festen Platz. Nur das typische Filmkorn fehlt, welches analogen Aufnahmen eine besondere Ästhetik verleiht. Muss es aber nicht!
Die Diskussion, nicht vorhandenes Filmkorn in der digitalen Bearbeitung zu erzeugen, wird in Internetforen bisweilen kontrovers diskutiert, ebenso die möglichen Wege der Nachbildung. In den meisten Fällen erzeugen Bildbearbeitungsprogramme elektronisches Rauschen, das über ein Bild gelegt und mit verschiedenen Parametern angepasst werden kann. Aber mit echtem Filmkorn haben errechnete Punktmuster wenig zu tun. Das zeigt sich in der Vergrößerung am Monitor und im Druck besonders deutlich.
Wie Filmkorn entsteht
Bei seiner Herstellung nimmt die Individualität eines analogen Films ihren Anfang, da die aufgegossene lichtempfindliche Emulsion mit ihren kristallinen Bestandteilen keine homogene Fläche bildet. Die weitere Behandlung macht jeden Film zum Unikat: Lagerung, Belichtung, Entwickler, Kipprhythmus und Temperatur der Chemikalien nehmen Einfluss auf das Negativ. Und nach der Entwicklung zeigt der Film sein wahres Gesicht: Je lichtempfindlicher er war, desto gröber wirkt jetzt sein Filmkorn. Durch die belichteten Silberhalogenidkristalle entsteht beim Entwickeln eine unregelmäßige Kornstruktur mit vergleichsweise scharfen Kanten, die bei einem niedrigempfindlichen Film erst in einer hohen Vergrößerung fürs Auge sichtbar hervortreten und dennoch die Wahrnehmung von Schärfe und Details im Bild subtil steigern. Wer den ursprünglichen Herstellungsprozess hautnah erleben möchte, findet hier eine der letzten Gelegenheiten.
Silver Efex Pro auch kostenlos erhältlich
Glaubwürdige Ergebnisse liefert Silver Efex Pro, von DxO zusammen mit sechs weiteren Plug-ins als Nik Collection vertrieben. Die Version 4 des Programms beinhaltet inzwischen 39 Presets, die Eigenschaften bekannter Schwarzweißfilme nachbilden und laut DPREVIEW aus dem DxO-Filmpack stammen. Bisher überzeugten die Konvertierungen und ihre Körnung ließ sich in Größe und Härte feinfühliger regeln als beispielsweise mit Lightroom. Olaf Giermann hat seine Eindrücke von der neuen Nik Collection hier vorgestellt. Sie ist nicht kompatibel zu Photoshop CS5 und CS6. Die weiterhin kostenlose Version von 2012 versteckt DxO hier.
DxO: Digitale Dunkelkammer-Geheimnisse
Welche Rolle echtes Filmkorn spielt, bleibt ein DxO-Geheimnis. Es erinnert an gut gehütete Entwicklungs- und Dunkelkammerrezepte aus Zeiten der analogen Fotografie. Die bildgewaltigen DxO-Webseiten lassen nach mühsamer Suche nur vage Marketing-Worte zum DxO-Filmpack erkennen. Es ist von „einem exklusiven Kalibrationsprozess“, beruhend auf „analogen Aufnahmeserien von realen Motiven sowie von Testcharts“ und „Fachlaboren“ die Rede. Was Letztere beigetragen haben, ist nicht ersichtlich – das entscheidende Wort fehlt. Jedenfalls werden auf diese Weise „Kornmatrixen“ extrahiert. Die im Film-Pack enthaltenen Presets sind hier aufgelistet.
TrueGrain emuliert echtes Filmkorn
Der Name ist Programm und die Software nutzt gescannte Originalnegative zur Erzeugung spezifischer Kornstrukturen. 21 verschiedene Filme stehen zur Wahl, deren Negative in Formaten von 13 × 17 bis 56 × 70 mm vorliegen. Darunter finden sich sowohl bekannte Klassiker, wie Kodak Tri-X und Ilford FP4 und HP5, als auch moderne Flachkristallfilme wie Kodak T-Max und andere. Die Webseite von Grubbasoftware zeigt eine Übersicht aller im Paket enthaltenen Filme und ihrer Anmutungen. TrueGrain kosten rund 90 US-Dollar. Die Testversion ist uneingeschränkt lauffähig, nur das Speichern bleibt verwehrt. Die weitgehend identische Vorgänger-Version der Software wurde hier vorgestellt.
Fakes, Fakes, Fakes. Ist das alles, was Leuten einfällt? Kaum hatte man endlich die unseligen Farbstiche diverser analoger Filme und Fotopapiere durch den digitalen Weißabgleich überwunden, begann man das Geschäftsmodell mit den unzähligen Presets, um diese Farbverfälschung als erstrebenswertes Ziel zurückzuholen. Dasselbe mit dem Filmkorn.
Ist das alles, was die Kreativität der Fotografen und Bildbearbeiter zustande bringt?
Sehnen sich diese Leute auch nach Autos, die alle alle paar zig Kilometer einen Reifenschaden hatten und die alle 1000 km geschmiert werden mussten?