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Künstliche Intelligenz: Geht’s noch voran?

Die Künstliche Intelligenz hat uns in den vergangenen Jahren mit immer neuen Leistungsbeweisen überrascht, was Hoffnungen ebenso wie Befürchtungen weckte. Aber geht die Entwicklung künftig im gleichen Tempo weiter, oder geraten wir in eine Phase, in der immer geringere Fortschritte immer höhere Kosten verursachen? Das Ende des US-Startups Starsky Robotics wirft Fragen auf.

Scheiternde Unternehmer finden natürlich immer Gründe für ihr Scheitern, die nichts mit eigenen Fehlern zu tun haben, aber was Starsky-CEO Stefan Seltz-Axmacher über das Ende seines lange Zeit erfolgreichen Startups in seinem Blog schrieb, sollte man durchaus ernst nehmen.

Künstliche Intelligenz: Geht’s noch voran?
Selbstgesteuert auf dem Highway: ein autonomer Truck von Starsky Robotics (Quelle: Starsky Robotics)

Starsky Robotics arbeitete seit 2015 an der Entwicklung fahrerloser LKWs und schien darin große Fortschritte zu machen; im vergangenen Jahr waren sie die ersten, die einen autonomen Truck über einen normalen Highway navigieren ließen. Das Startup verfolgte den Ansatz, die tief hängenden Früchte zu ernten: Ihre Trucks sollten nur auf ausgewählten Highways autonom fahren und am Anfang und Ende einer Tour von Teleoperatoren in einer Zentrale ferngesteuert werden. Auf komplexe Aufgaben wie Spurwechsel verzichtete man bewusst. Diese Herausforderung schien bewältigbar und das Produkt hätte einen Nutzen gebracht – KI-gesteuerte Trucks bleiben beispielsweise nicht in Las Vegas hängen, weil sich der Fahrer ein bisschen amüsieren will.

Vor Jahren rechneten viele noch damit, dass sich selbst steuernde Autos bald ein alltäglicher Anblick auf den Straßen sein würden. Wie Stefan Seltz-Axmacher schreibt, glaubten 2015, als er Starsky Robotics gründete, viele, dass ihre Kinder keinen Führerschein mehr brauchen würden. Inzwischen werden die Zukunftsprognosen vorsichtiger formuliert und laut Seltz-Axmacher sind sich die Experten weitgehend einig, dass wir noch mindestens 10 Jahre von der allgemeinen Einführung autonomer Fahrzeuge entfernt sind. Kaum ein Startup schafft es aber, seine Finanzierung über 10 Jahre zu sichern, ohne wirklich liefern zu können, und das würde bedeuten, dass solche Projekte eher die Domäne staatlich finanzierter Forschung wären, bevor Unternehmen die Technologie zur Serienreife bringen könnten.

Künstliche Intelligenz: Geht’s noch voran?
Die Methode des überwachten maschinellen Lernens mit neuronalen Netzen brachte schnell überraschend gute Resultate, aber inzwischen geht es nicht mehr im gleichen Tempo voran. (Quelle: Starsky Robotics)

Das größte Problem sieht der Starsky-CEO darin, dass die Methode des maschinellen Lernens dem Hype nicht gerecht würde: „Es ist nicht Künstliche Intelligenz im Sinne von C3PO, sondern bloß ein ausgefeiltes Mustererkennungs-Tool.“ Erste Erfolge von Systemen, die auf neuronale Netzwerke und Deep Learning setzten, weckten die Hoffnung, diese würden sich in einer exponentiellen Kurve fortsetzen, ähnlich wie die Leistung von Computern gemäß Moore’s Law exponentiell steigt. Tatsächlich scheint sich die Kurve jedoch abzuflachen. Das bedeutet, dass man einen immer größeren Aufwand treiben muss, um zunehmend kleinere Verbesserungen zu erreichen. Wer 99 Prozent des Weges zurückgelegt hat, ist keineswegs bald am Ziel, denn das letzte Wegstück ist das schwerste.

Investoren ist so etwas kaum zu vermitteln. Wenn man gezeigt hat, dass man etwas im Prinzip kann, dürfte ein vermarktbares Produkt doch nicht mehr weit entfernt sein, denken sie – tatsächlich liegen die wirklich komplexen Probleme aber noch vor den Entwicklern. Manche Unternehmen wählen dann den Ausweg, statt an der Perfektionierung des Systems zu arbeiten, neue Features anzukündigen – das ist sexy, selbst wenn man lediglich einen proof of concept vorweisen kann, aber man bürdet sich damit nur neue Anforderungen auf, die sich erst recht nicht bewältigen lassen.

Künstliche Intelligenz: Geht’s noch voran?
Wie verhält sich die Leistung eines Menschen zu der von KI-Systemen, die sich derzeit nur langsam verbessert? Geringe Unterschiede haben hier einen großen Effekt: Der Mensch wird entweder bereits übertroffen (L1), ist kurz davor (L2) oder bleibt auf absehbare Zeit unerreicht (L3). Stefan Seltz-Axmacher hält das dritte Szenario für wahrscheinlich. (Quelle: Starsky Robotics)

Solche Fehleinschätzungen begleiten die KI-Forschung seit ihren Anfängen in den 50er und 60er Jahren des vergangenen Jahrhunderts. Damals suchte man noch nach einem allgemeinen Grundprinzip der Intelligenz, das sich in einem Algorithmus fassen ließe. Würde es erst einmal gelingen, beispielsweise ein Schachprogramm zu entwickeln, das auf hohem Niveau mitspielen könnte, hätte man die Grundlage menschlicher Intelligenz entschlüsselt und die Künstliche Intelligenz ließe sich ebenso auf alle anderen Aufgaben anwenden. Tatsächlich besiegen Schachcomputer längst menschliche Weltmeister und selbst der Go-Weltmeister ist inzwischen entthront, aber dem Geheimnis unserer Intelligenz sind wir kaum näher gekommen. Immer wenn ein die KI-Forschung prägender Ansatz ins Stocken geriet, entwickelte man einen anderen, aber auch der brachte nur Anfangserfolge und stellte sich dann ebenfalls schwieriger als gedacht heraus.

Immerhin sind wir bei KI-Anwendungen in der Bildbearbeitung in einer anderen Situation als beim autonomen Fahren. Während ein Unfall alle paar 1000 Kilometer nicht akzeptabel wäre, könnten wir gut damit leben, wenn ein künstlich intelligentes Freistellungsverfahren oder eine Motiverkennung einmal in die Irre ginge. Wir müssten dann bloß etwas mehr selbst nacharbeiten. In allen Bereichen der KI-Anwendungen gilt jedoch, dass die bekannten Lösungen nur für eng umschriebene Aufgaben taugen; eine allgemeine Intelligenz, die auch bei neuen, noch unbekannten Aufgaben helfen könnte, ist weiterhin nicht in Sicht.

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Michael J. Hußmann

Michael J. Hußmann gilt als führender Experte für die Technik von Kameras und Objektiven im deutschsprachigen Raum. Er hat Informatik und Linguistik studiert und für einige Jahre als Wissenschaftler im Bereich der Künstlichen Intelligenz gearbeitet.

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Kommentar

  1. Das erste Problem ist der Name: künstlich ja, Intelligenz nein. Daten werden erhoben, in Kontext gestellt und alles darüber hinaus läßt sich schwer programmieren. Die Marketing Abteilung versprach aber dauernd Wunder. Hat vielleicht etwas übertrieben. Naja, vielleicht auch absichtlich. Ich hätte mir damals den Link speichern sollen wo einer der Leute, die schon 30 Jahre in dem Feld arbeiten in etwa so zusammenfaßten: „Es gibt da einen Plattwurm, der hat das weltweit einfachste Nervensystem. Nichtmal das konnten wir nachbauen.“ (Zitat sinngemäß) „Autonomes“ Fahren ist dann alles, außer das was der Name sagt. Es benötigt eine Infrastruktur und wenn woanders mal ein Server einen Schluckauf hat, stehen halt die Räder still. Es multipliziert die Möglichkeit an Pannen die ein Auto haben kann um die Möglichkeiten, die Netzwerke, Router, Server, Apps, Datenbanken usw. haben können. Ein bißchen wie damals als die NASA Ingenieure voller Stolz verkündeten „Jaa, das Space Shuttle hat soo super Bauteile, die haben eine Ausfallwahrscheinlichkeit von 1 zu einer Milliooon.“ Und jemand anders bemerkte, daß das bei einer Million Bauteile etwa fifty-fifty gibt. Den Rest der Geschichte habt ihr, wenn ihr alt genug seid, im TV gesehen. Ich weiß schon, warum ich nie im Marketing arbeiten wollte.

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