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500px: Der neue Purismus

Die Fotocommunity 500px zählt derzeit 15 Millionen Nutzer, aber diese Zahl könnte sich bald reduzieren: Neuerdings sind dort nur noch reine Fotografien erwünscht, womit neben Digital Artists auch viele, die sich selbst als Fotografen verstehen, praktisch ausgeschlossen werden. Was ist da los?

Als der polnische Fotograf Michal Karcz jüngst ein weiteres Bild bei 500px präsentieren wollte, wo er seit vielen Jahren aktiv ist, wurde es zu seiner Überraschung abgewiesen: „our Moderators have found non-photographic content posted on your account. 500px is a photography community, and we do not currently allow non-photographic content to be uploaded to the site.“ Seine Bilder seien keine Fotografie, denn „photomanipulations based on photography is not photography and our website in the current iteration is evolving into a purely photography website“. Wer seine Bilder also in Photoshop aus mehreren Fotos montiert, hat bei 500px künftig keine Chance mehr. Tatsächlich droht sogar der komplette Rauswurf des Nutzers: „If our Moderators continue to find non-photographic material posted to your account, it may result in your account being banned.“ Andere Fotografen und Digital Artists haben dieselbe Erfahrung gemacht.

500px: Der neue Purismus
Noch sind Michal Karcz’ Bilder bei 500px zu finden, aber nicht mehr lange.

Michal Karcz ist über die Malerei zur Fotografie gekommen; für ihn ist sie ein Mittel, seine visuellen Erfindungen zu realisieren, und daher sind seine Bilder keine 1:1-Abbildungen der Realität. Andererseits: Wann war die Fotografie jemals ein simpler Abklatsch der Wirklichkeit? Vor vier Jahren konnte man das Spannungsfeld zwischen „reiner“ und „manipulierter“ Fotografie auf bei 500px noch offen diskutieren, aber nun hat sich der Wind gedreht. Michal Karcz fehlt dafür das Verständnis. Schließlich hatte er nie ein Hehl daraus gemacht, dass seine Bilder Compositings mehrerer Fotos sind, und als solche hatte sie 500px auch früher präsentiert und seine „formidable Photoshop skills“ gepriesen. Noch 2017 zeichnete die Redaktion eines seiner Bilder unter „Unsere Lieblingsbilder“ aus und lobte das „all-around-stellar Photoshop work“.

2018 hat die Visual China Group (VCG), die größte Bildagentur Chinas, das in Toronto gegründete Unternehmen 500px übernommen, und die aktuelle Änderung der Spielregeln hängt damit offenbar zusammen. Für VCG scheint 500px vor allem eine Quelle von Microstock-Fotos zu sein. Die Option einer Creative-Commons-Lizensierung wurde abgeschafft – angeblich, weil diese kaum genutzt wurde, tatsächlich aber wohl, weil man Lizenzen verkaufen will, über VCG und, außerhalb Chinas, über Getty Images. Nun könnte man natürlich Compositings ebenso lizensieren wie „reine“ Fotografien, aber die neuen Eigner fürchten sich vor komplexen Rechtsverhältnissen, wenn ein Bild aus Fotografien mehrerer Urheber hervorgegangen ist. Das lässt sich aus der Mail an Michal Karcz herauslesen: „our terms of service require you to be the copyright owner of the images you upload so if you’re editing bits and pieces of other peoples imagery then you’re in violation of that.“ Wenn man also beispielsweise Stockfotos lizensiert, um sie völlig legal in eine Montage einzubauen, hat man auf 500px keine Chance mehr. Schließlich erwirbt man mit einer Lizenz nur Nutzungsrechte, nicht das Urheberrecht.

Natürlich ist niemand auf 500px angewiesen. Es gibt schließlich noch das altehrwürdige Flickr, Adobes Behance und Adobe Stock, DeviantArt, Instagram , 1x, ArtStation und andere Alternativen. Es mag also sein, dass am Ende nur 500px und damit VCG den Schaden von diesem Wechsel der Unternehmenspolitik hat. Kurzfristig ist es aber ärgerlich, wenn ein Künstler mit seinen Bildern eine Community verlassen muss und Links auf die Bilder danach ins Leere zeigen. Auf jeden Fall sollte man, egal wo man seine Bilder sonst noch präsentiert, eine eigene Website mit eigener Domain einrichten, die einem niemand streitig machen kann.

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Michael J. Hußmann

Michael J. Hußmann gilt als führender Experte für die Technik von Kameras und Objektiven im deutschsprachigen Raum. Er hat Informatik und Linguistik studiert und für einige Jahre als Wissenschaftler im Bereich der Künstlichen Intelligenz gearbeitet.

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Kommentar

  1. Ich bin auch der Ansicht, dass man eine eigene Internet-Seite besitzen (und bezahlen) muss. Sonst ist man abhängig von den Besitzern, welche uns Seiten gratis zur Verfügung stellen. War jedoch schon vor der digitalen Zeit so 😉

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