Letzte Meldung: Die Erde ist eine Kugel!
Für unsere Bildkritik hat uns DOCMA-Leser Frank Sebold diese schöne Werbe-Montage eines Kreuzfahrt-Anbieters geschickt. Diese Branche bemüht sich in letzter Zeit ernsthaft, der Autoindustrie den ersten Rang bei misslungenen Compositings abzulaufen. Immerhin widerlegt das Bild wilde Hypothesen von einer flachen Erde – die Erde ist eine Kugel: Hier sieht man deutlich, dass die Schiffe bergab fahren. Doc Baumann nimmt die Montage unter die Lupe.
Beim ersten Blick überkommt den Betrachter nur ein vages Unwohlsein. Irgendwas stimmt hier nicht! Aber was? Die beiden Schiffe passen nicht wirklich zur Perspektive der Szene.
Dabei hat sich der Bildbearbeiter durchaus Mühe gegeben: Der rote Bogen unten rechts wurde ordentlich freigestellt, und sogar die Beleuchtungsrichtung der verwendeten Elemente – das griechische Santorin im Vordergrund, unten die Schiffe – stimmt einigermaßen überein.
Der Entdecker der Montage schreibt dazu:
„Hallo DOCMA-Team,
ich bin gerade mal wieder über ein paar Werbebilder für Fluss- und Seereisen gestolpert. Ich dachte mir, da könnte man doch so langsam mal einen Aufruf bei den Reiseagenturen machen, also:
»Liebe Reiseagenturen,
wenn Ihr Eure Reisen möglichst hochpreisig vermarkten und Reklamationen von Reisenden wegen irreführenden Broschüren verhindern wollt: Vielleicht versucht Ihr es mal mit echten Bildern von echten Schiffen und ohne schlechte Montagen. Es gibt dafür Fotografen, die das gerne für euch machen – und so viel mehr kostet das auch nicht.«
Frank Sebold, FMM Fotoclub FMM“
Die Erde ist eine Kugel: Perspektive-Kontrolle
Mal ganz abgesehen vom Winkel (im Prinzip kann ein Schiffsbug ja in jede beliebige Richtung deuten) ist der erste Schritt bei solchen Analysen immer die Kontrolle der Fluchtlinien.
Das ist meist schnell erledigt: Neue Ebene anlegen, dann entlang markanter waagerechter Strukturen eines Objekts Linien bis zum Horizont der Szene ziehen. Am einfachsten ist das bei Architektur, bei diesen Schiffen funktioniert es ebenso gut. Schwierig bis unmöglich ist es bei unregelmäßigen Objekten ohne rechte Winkel und gerade Kanten. Menschen oder Tiere lassen sich so nur schwer überprüfen.
Aber hier klappt es prima. Prima jedenfalls, was die Analyse betrifft – weniger die analysierte Montage. Die Höhe des Horizonts ist hier leicht festzulegen, aber das ist nicht einmal nötig. Denn wie die gelben und grünen Fluchtlinien zeigen, verlaufen sie nahezu parallel zueinander. Von einem Konvergieren auf dem Horizont kann keine Rede sein.
Das Schiff – oder sind es wirklich zwei? – wurde aus der Luft aufgenommen. So stark von oben, dass es kaum eine perspektivische Verzerrung gab. Wird dieses Schiff nun aber in eine neue Szene montiert, in der erkennbar perspektivische Bedingungen herrschen, passen die beiden Elemente nicht mehr zueinander.
Daher also der Eindruck, die Schiffe würden bergab fahren. Klar, früher wurde die Hypothese der Kugelgestalt der Erde auch damit unterfüttert, dass man von weit entfernten Schiffen beim Näherkommen zunächst die höchsten Masten über dem Horizont aufragen sah. Wenn nun also moderne Schiffe auf einer Wasseroberfläche bergab fahren, bestätigt das die Kugel-Annahme. (Allerdings müsste der Durchmesser der Erde dann doch recht klein sein …)
Die Erde ist eine Kugel: Kleinere Fehler
Schaut man sich die Montage genauer an, so entdeckt man weitere kleinere Mängel. Die Helligkeitsverteilung auf der blauen Kuppel der Santoniner Kirche lässt recht gut auf den Sonnenstand schließen: Das Kreuz oben und der Vorsprung rechts außen helfen zusätzlich. Daraus lässt sich rückschließen, dass die Sonne ziemlich steil gestanden hat, leicht rechts von der Bildmitte.
Die Schlagschatten auf den Schiffsdecks kommen zwar aus einer vergleichbaren Richtung, aber bei niedrigerem Sonnenstand. Der Schlagschatten der Schiffe auf der Wasseroberfläche passt zwar einigermaßen zum Vordergrund, aber nicht zur Beleuchtung der beiden Objekte.
Zudem endet in der Realität das von den Schiffsschrauben aufgewirbelte Wasser nicht am Ende der Schaumspur, sondern setzt sich – jedenfalls bei einer solch weitgehend windstillen Wetterlage – Hunderte von Metern erkennbar hinter einem Schiff fort und lässt so leicht dessen Spur verfolgen. Auch das fehlt in dieser Montage.
Die Erde ist eine Kugel: Korrektur-Versuch
Entgegen allen wilden Hypothesen von einer flachen Erde bleibt unser Planet auch dann eine Kugel, wenn wir Schiffe nicht bergab fahren sehen.
Im folgenden Bild habe ich auf die Schnelle – quick & dirty, wie mein Kollege Olaf Giermann sagen würde – eine grobe Korrektur versucht. Man hört ja immer wieder das Argument: Mit dem miserablen Ausgangsmaterial, das Bildbearbeitern zur Verfügung gestellt wird, ist es überhaupt nicht möglich, eine annähernd einheitliche und plausible Montage hinzukriegen.
Ich habe mich darauf beschränkt, den beiden Schiffen eine etwas glaubhaftere Richtung zu geben und eine leichte Perspektive ergänzt. Außerdem wurden die langen „Spuren“ im Wasser hinzugefügt. Noch immer nicht perfekt, aber so sieht das Bild wenigstens halbwegs glaubwürdig aus.
Bad Pixel Award: Machen Sie mit!
Parallel zum DOCMA Award entscheidet die Jury traditionsgemäß auch über die schlimmste Montage des vorausgehenden Jahres. Leider wollte bisher noch kein „Preisträger“ (Auftraggeber, Agentur oder Grafiker) unseren Bad-Pixel-Award bei der Ausstellungseröffnung entgegennehmen.
Sie können einen wertvollen Sachpreis gewinnen, wenn die Jury die von Ihnen eingesandte Montage aus den Medien zur allermisslungendsten erklärt. Senden Sie einen Scan oder Screenshot der Montage (Werbung, Illustration, Redaktionelles) an [email protected] und schreiben Sie bitte dazu, in welcher gedruckten oder digitalen Quelle Sie das Bild gefunden haben, dazu das Datum, und lassen Sie uns bitte auch wissen, was Sie am jeweiligen Bild als falsch einschätzen.