Uwa Scholz verdient seit einigen Jahren ihren Lebensunterhalt als professionelle Influencerin auf Instagram. Auf der fotozentrierten Social-Media-Plattform folgen ihrem 2011 angelegten Reisefotoaccount @uwa2000 heute rund 200.000 Fans. An einem sonnigen Julitag treffen wir Uwa zum Interview im Berliner Tiergarten. Sie spricht mit uns unter anderem über ihre Erfolgsstrategie und den immer stärker grassierenden Betrug auf Instagram.
DOCMA: Du startest in ein paar Tagen dein neues Projekt: Eine Reise nach Taiwan, zu der du als Influencerin eingeladen wurdest. Weißt du schon, was dich dort erwartet? Uwa: In Taiwan bin ich zu einer Art Food-Festival eingeladen, bei dem es um traditionelle taiwanisische Speisen geht. Mit mehreren Influencern aus der ganzen Welt bereisen wir als kleine Gruppe auf Einladung des China Productivity Centers eine Reihe von Städten und wohnen zum Abschluss einer Preisverleihung in Taipeh bei.
Was erwartet der Kunde von dir? In der Woche, die ich dort verbringen werde, besteht mein Job darin, meine Eindrücke von Land, Leuten, Sehenswürdigkeiten und in diesem Fall wahrscheinlich von den Gerichten und den zu besuchenden Restaurants im Bild festzuhalten. Einige Bilder poste ich dann auf meinem Account, weitere stelle ich dem Kunden für seine eigene Social-Media-Kommunikation zur Verfügung.
Sind solche Aufträge dein täglich Brot?
(Lacht) Leider nicht. Doch kommen derartige Anfragen inzwischen häufiger. Meist aber habe ich Kunden, die ein, zwei oder drei Posts zu einem Thema bei mir buchen. Das Schöne ist, dass ich normalerweise fotografieren kann, was mir gefällt und wie es mir gefällt, weil die Kunden mich nach meinem Bildstil aussuchen und dann auch solche Fotos von ihrem Thema haben möchten.
Was nimmst du denn an Equipment auf die Reise mit?
Wenig. Mir reicht meine Fuji XT 10 mit dem XF-Standardzoom 18-55mm f/2.8-4und mein iPhone 6. Dazu kommen nur noch ein kleines Stativ und ein Putztuch fürs Objektiv. Die Nachbearbeitung der Fuji-Dateien erledige ich auf dem iPhone in der VSCO-App, denn dort bekomme ich sehr schnell einen einheitlichen Farblook.
Seit wann kannst du von deinem Instagram-Account leben?
Ungefähr 2013 kamen die ersten Firmen auf mich zu und haben mir allerlei Produkte geschickt. Meist so Kleinigkeiten wie Batterieladegeräte oder Armbänder. Bis es zu echten Kooperationen kam, also zu solchen, von denen man nicht nur schöne Geschichten erzählen, sondern auch die Miete bezahlen kann, hat es bis Anfang 2015 gedauert. Da hatte ich aber schon etwa so viele Follower wie heute auch.
Reisebilder von Uwa Scholz
Seit vier Jahren ist die Zahl deiner Follower nicht gestiegen, obwohl du regelmäßig postest?
Das hat eine Vorgeschichte, für die ich etwas weiter ausholen muss: Als ich 2011 startete, war Instagram mit sieben Millionen Usern weltweit noch eine eher kleine Plattform. Es standen weniger das Geschäft als vielmehr der Spaß und die Gemeinschaft im Vordergrund. Im Gegensatz zu anderen Communities ging es nicht darum, an den Bildern der anderen herumzukritisieren. Man ließ sich stattdessen einfach von den Fotos der anderen zu eigenen Bildern inspirieren. Wer sich dann – wie ich – stark engagierte, hatte gute Chancen in der sogenannten „Suggested User List“ aufgenommen zu werden. Das entspricht heute der „Entdecken“-Funktion, bei der man auf bestimmte Accounts aufmerksam gemacht wird. Ich hatte das Glück, etwa eineinhalb Jahre „Suggested User“ zu sein und konnte so in verhältnismäßig kurzer Zeit viele Follower finden. Mitte 2014 war es mit der kreativen Glückseligkeit vorbei. Nachdem Facebook Instagram 2012 übernommen hatte und Instagram als Monetarisierungsmaßnahme Werbung schalten sollte. Plötzlich erkannte man, dass Leute wie ich, die viele Follower hatten, für Instagram selbst Konkurrenten beim Verkauf von Werbung sein könnten, und man versuchte, die Bildung großer Accounts zu vermeiden. Wer heute in der „Entdecken“-Funktion auftaucht, bekommt diesen Benefit meist nur einmal für zwei Wochen.
Heißt das, es ist heute viel schwieriger geworden, mit seinen Bildern trotz großem Engagements aufzufallen? Zum einen muss der, der jetzt seinen Account startet, mit einer Milliarde User konkurrieren. Selbst wenn man die vermutlichen 10% Fake-Accounts abzieht, sind das immer noch rund 125 mal so viele Leute wie bei meinem Start in 2011 als Instagram gerade mal ein knappes Jahr alt war. Die Chance auf eine Zahl von Followern jenseits der 100.000er Marke haben eigentlich nur noch Kreative, die schon auf anderen Kanälen, wie etwa bei Youtube, eine große Zahl an Followern besitzen und diese Fans dann auf ihren Instagram-Account um- beziehungsweise weiterleiten können.
Aber man hört und liest doch immer wieder von Accounts, die nach kürzester Zeit durch die Decke gehen. Bestimmt gibt es die auch, wenn die Bilder oder die Stories umwerfend sind. Aber ich habe bei vielen dieser Schnellstarter den Eindruck, sie helfen auf die eine oder andere Weise nach, indem sie Follower kaufen oder Bots damit beschäftigen Likes zu produzieren. Angebote für solche „Hilfestellungen“ finde ich fast täglich im Spam und die Preise sind mit fünf Euro pro 1000 neue Follower verführerisch gering. Im Grunde also kein Wunder, wenn sich viele auf diese Art helfen lassen. Vor allem wenn man sich vor Augen führt, dass es inzwischen schon sehr aufwendig geworden ist, mit legalen Mitteln seine Followerzahl auch nur konstant zu halten.
Betrug auf Instagram: Gibt es denn Möglichkeiten solche Manipulationen nachzuweisen?
Sicher gibt es die. Man kann zum Beispiel schauen, aus welchen Ländern die Fans kommen. Ein gewachsener Account hat in der Regel einen bestimmten Anteil an Followern aus dem Heimatland sowie aus sehr Instagram-aktiven Nationen wie den USA oder Brasilien. Wenn dann aber nur ganz wenige Follower aus diesen Ländern stammen und der Großteil aus Asien oder Osteuropa, der betreffende Instagramer aber aus Mitteleuropa kommt, kann das ein Indikator für eine Manipulation sein. Auch an den Entwicklungskurven der Followerzahlen und dem Likeverhalten lassen sich Rückschlüsse ziehen. Wenn zum Beispiel jemand mit unter 10.000 Followern regelmäßig 10 bis 20 Prozent Interaktionen hat (also mehr als 2000 Likes und Kommentare) ist das ebenso ungewöhnlich wie eine Engagement-Rate von mehr als fünf Prozent bei größeren Accounts.
Das klingt ja so, als hättest du dich intensiv mit diesem Thema beschäftigt.
In meinem Leben vor Instagram habe ich als Publizistin in der empirischen Kommunikationsforschung gearbeitet. Daher kommt mein Interesse für Zahlen und Metriken. Aber natürlich lassen sich diese Auswertungen nicht einfach bei Instagram abrufen. Doch wer es genau wissen will, kann die Recherchetools von Socialblade.com oder der Influencer DB nutzen. Ich wundere mich immer nur, dass viele Kunden auf solche Prüfungen verzichten und sich völlig unkritisch mit den oft astronomischen Zahlen zufriedengeben.
Wie schätzt du die Zukunft des Influencer-Marketings ein?
Zunächst einmal glaube ich an die Idee des Influencer-Marketings. Ich sehe die Vorzüge gegenüber konventioneller Werbung in bestimmten Zielgruppen sehr deutlich. Aber ich habe etwas Sorge, dass die durch die vielen Manipulationen entstandene Blase irgendwann platzt und dann auch die ehrlichen Accountbetreiber unter Generalverdacht geraten. Ein Ausweg würde darin bestehen, dass die Kunden sich noch stärker professionalisieren und die Zahlen ihrer Kooperationspartner stärker hinterfragen. Oder dass es eine verbindliche Prüfung mit öffentlich zugänglichen Zahlen gibt, wie man sie zum Beispiel von den Printmedien kennt.
Christoph Künne ist Mitbegründer, Chefredakteur und Verleger der DOCMA. Der studierte Kulturwissenschaftler fotografiert leidenschaftlich gerne Porträts und arbeitet seit 1991 mit Photoshop.