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Breaking Point – die 7. Triennale der Photographie Hamburg beginnt

Die sechste Triennale der Photographie Hamburg 2015 galt vielen als die bislang gelungenste, und so hatte es nahegelegen, deren künstlerischen Leiter, Krzysztof Candrowicz aus Lodz (Polen), auch mit der Konzeption der diesjährigen Fotoausstellungen zu betrauen. Die Erwartungen an die heute eröffnete 7. Triennale sind daher hoch gespannt.

Triennale der Photographie Hamburg
Als strukturierendes Raster für die einzelnen Ausstellungen unter dem übergreifenden Motto „Breaking Point. Searching for Change“ hat Candrowicz Befehle einer Computertastatur gewählt – ENTER, HOME, SHIFT, CONTROL, SPACE; RETURN, DELETE und ESCAPE. Die 7. Triennale soll die momentanen ökologischen, sozialen, politischen und wirtschaftlichen Veränderungen und die Wirklichkeitserfahrung einer Umbruchsituation durch den Blickwinkel der Fotografie reflektieren. Krzysztof Candrowicz erklärt sein Konzept so: „Wir stehen auf globaler Ebene sozialen, wirtschaftlichen, ökologischen, biologischen, technologischen und demographischen Veränderungen gegenüber, die letztlich unser aller Leben betreffen. Unsere Gesellschaften wandeln sich schneller, als wir es begreifen können. Technologie hört nicht auf, unsere Gesellschaften zu verändern. Die sogenannten „Weltkulturen“, getrieben von einem globalen Markt und vermittelt durch die sozialen Medien, sind eine virtuelle kollektive Illusion. Es herrscht ein dringender Bedarf, zu definieren, zu verstehen und diese neue Wirklichkeit zu steuern. Die Geschwindigkeit und das Ausmaß dieser Veränderungen, wie sie von Menschen wahrgenommen werden, sind schlicht überwältigend.“

Triennale der Photographie Hamburg
Ein Gruppenbild (fast) aller Beteiligten an der Triennale der Photographie Hamburg

Das Zentrum der Triennale liegt wie üblich auf dem Areal der Deichtorhallen, nahe Hamburgs Weltkulturerbestätten Speicherstadt und Kontorhausviertel. Neben dem dortigen „Haus der Photographie“, in dem eine von Sabine Schnakenberg kuratierten Ausstellung unter dem Titel [SPACE] siebzig Jahre der Street Photography zeigt, sind auf dem Vorplatz die für die Hafenstadt Hamburg charakteristischen Container aufgestellt, und diese sind die Spielstätte der von Emma Bowkett und Krzysztof Candrowicz selbst zusammengestellten Ausstellung [ENTER]. Sie soll die Notwendigkeit von Veränderungen angesichts globaler Herausforderungen wie Klimawandel, Flüchtlingskrise, politische Unruhen, Cyberattacken und Terrorismus beleuchten. Viele weitere Ausstellungsorte liegen ganz in der Nähe, so das Museum für Kunst und Gewerbe, die Kunsthalle, der Kunstverein, das Kunsthaus, die Freie Akademie der Künste und die Barlach Halle K. Auch das Bucerius Kunst Forum, das Altonaer Museum und das Museum für Völkerkunde sind leicht erreichbar. Im Traditionsschiffhafen in der nahen Hafencity liegen [2BOATS] – Maciej Markowicz’ „Obscuraboat“, eine schwimmende Camera Obscura, und das Boot von Claudius Schulze als offener Diskussionsort über Kunst, Natur und Umwelt. Die [OFF] Triennale bespielt dagegen die ganze Stadt.

Triennale der Photographie Hamburg
Die Pressekonferenz zur Eröffnung der Triennale, mit dem künstlerischen Leiter Krzysztof Candrowicz, dem Kultursenator Carsten Brosda, dem Intendanten der Deichtorhallen Dirk Luckow und der Pressesprecherin Kathrin Luz, in Hamburgs Kathedrale – pardon: Haus – der Photographie

Aus der Vielzahl der Ausstellungen seien hier zwei herausgegriffen. Das Bucerius Kunst Forum neben dem Rathaus zeigt unter dem Titel „The Living and the Dead“ Fotos von Anton Corbijn. Der Kurator Franz Wilhelm Kaiser hat nicht nur viele der Porträts von Rockmusikern ausgewählt, für die Corbijn vor allem bekannt ist, sondern auch weniger bekannte Serien dieses Fotografen. Für das Projekt „a. somebody“ hat sich Corbijn mit Hilfe einer Maskenbildnerin in verschiedene, zu diesem Zeitpunkt bereits verstorbene Musiker verwandelt, von Janis Joplin und Frank Zappa bis zu Freddie Mercury und Sid Vicious, und in dem kleinen niederländischen Ort fotografiert, in dem der Pastorensohn aufgewachsen ist. Bislang unveröffentlicht sind die Bilder seiner Serie „Cemeteries“ von 1982, die Skulpturen auf Friedhöfen zeigen.

Triennale der Photographie Hamburg
Kurator Franz Wilhelm Kaiser zwischen Anton Corbijns Bildserie „Cemeteries“ im Bucerius KunSt Forum

Im Museum für Kunst und Gewerbe untersuchen die Kuratoren Esther Ruelfs und Sven Schumacher unter dem Titel [DELETE], wie aus dem von Fotoreportern gelieferten Material die Bilder ausgewählt werden, die dann in Zeitschriften gedruckt erscheinen. Wer entscheidet darüber, welche Fotos wir zu sehen bekommen? Man könnte hier an staatliche Zensur denken, aber die Zusammenhänge sind komplexer. Die Ausstellung illustriert die Auswahlprozesse unter anderem anhand einer USA-Reportage Thomas Hoepkers für Kristall (1963), einer Nordirland-Reportage von Hanns-Jörg Anders für den Stern (1969) und einer Reportage von Ryūichi Hirokawa über die Massaker von Sabra und Schatila (1982). Neben einem Vergleich der verfügbaren Bilder und der veröffentlichten Auswahl kommen auch die Fotografen selbst in Interviewfilmen zu Wort. Es wird deutlich, dass die Bildredakteure manche Themen und Inhalte ausblenden und oft visuelle Klischees gegenüber ungewohnten Sichtweisen vorziehen.

Wenn Sie die Triennale der Photographie Hamburg besuchen und möglichst viele Angebote wahrnehmen wollen, sollten Sie bis zum 17. Juni 2018 kommen, aber viele Ausstellungen sind auch noch später im Jahr zu sehen. Es lohnt sich! Vielleicht sehen wir uns ja heute auf der Eröffnungsfeier im Haus der Photographie.

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Michael J. Hußmann

Michael J. Hußmann gilt als führender Experte für die Technik von Kameras und Objektiven im deutschsprachigen Raum. Er hat Informatik und Linguistik studiert und für einige Jahre als Wissenschaftler im Bereich der Künstlichen Intelligenz gearbeitet.

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