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XING: Raus aus dem sozialen Netz

Man kommt ja kaum darum herum, in verschiedenen sozialen Netzen präsent zu sein, will man nicht als eigenbrötlerischer Sonderling im digitalen Zeitalter gelten. Aber irgendwann ist man in einem Netz zu viel, und ich habe jetzt eines verlassen: XING.

XING war tatsächlich eines der ersten sozialen Netze, dem ich beigetreten bin. Damals hieß es noch openBC und Kollegen machten mir weis, dass man so etwas künftig brauche, um seine beruflichen Kontakte zu pflegen. Man vernetzt sich mit Leuten, die man aus dem Berufsleben kennt, gibt an, an was für Jobs oder Aufträgen man interessiert ist und welche Stärken man hat, und damit kann einem das Netz den nächsten Schritt auf der Karriereleiter erleichtern. Nicht dass es im Journalismus allzu viele Karriereoptionen gäbe, aber das ist eine andere Geschichte.

Später war ich dann noch für kurze Zeit bei LinkedIn, das einen ähnlichen Ansatz wie openBC/XING verfolgt, kündigte meinen Account aber relativ bald. Seltsamerweise bekomme ich bis heute gelegentlich Anfragen von LinkedIn-Kunden, ob ich mich nicht dort mit ihnen vernetzen will – dass ich schon seit Jahren nicht mehr dabei bin, scheint sich nicht herumgesprochen zu haben, aber vielleicht ist das ja auch nur ein Trick, um mich zum Wiedereintritt zu bewegen.

Bei einem der VZ-Netzwerke war ich auch einmal Kunde; ich habe inzwischen vergessen, wie es hieß – es war das Netz für die Älteren, die also weder Studenten noch Schüler waren. Dort war es ziemlich öde, und so landete ich unweigerlich beim Giganten Facebook, über den ich lange gespottet hatte: „Alle reden von Facebook, aber keiner tut etwas dagegen.“ Jetzt gibt es natürlich keinen Weg mehr zurück, schon weil ja auch DOCMA dort präsent ist – Mark Zuckerberg hat mich im Sack. Es gibt Schlimmeres.

Aber ich wollte ja über XING reden. In den letzten Tagen haben dort Viele mit dem Austritt gedroht oder sind tatsächlich ausgetreten. Auslöser war der Publizist Roland Tichy, der bei XING ein Debatten-Portal aufgebaut hatte und leitete – neben seinem eigenen Online-Meinungsmagazin Tichys Einblick, das sich selbst als liberal-konservativ beschreibt, aber tatsächlich ein bisschen rechtslastig ist. Ich will jetzt nicht unbedingt weitere Leser mit der bösen Politik verschrecken, aber ich sage es einmal so: Die von Tichy und Mitstreitern dort vertretenen Ansichten finde ich ziemlich unsympathisch. Ein dort veröffentlichter Artikel (nicht von Tichy selbst), in dem von geisteskranken Gutmenschen die Rede war, brachte bei manchen XING-Kunden das Fass zum Überlaufen: In einem sozialen Netzwerk, bei dem Leute wie Tichy eine herausgehobene Funktion bekleiden, wollte man nicht länger präsent sein. Zwar beendete Tichy kurz darauf seine Tätigkeit für XING, aber zu diesem Zeitpunkt hatte ich meinen Entschluss bereits gefasst: Ich würde XING verlassen.

Mir ging es gar nicht so sehr um Tichy, so unsympathisch mir der Mann auch ist. Der Punkt ist vielmehr, dass mir XING nichts bringt und dass ich überhaupt keine Lust verspüre, dort irgendetwas zu machen. Die Leute, mit denen ich bei XING vernetzt war, habe ich außerhalb von XING kennengelernt. Ich bin nicht auf XING angewiesen, um berufliche Kontakte zu pflegen. Dass solche Kontakte wichtig sind, das war und ist der wahre Kern des Konzepts, auf dem XING basiert. Im Laufe meines beruflichen Lebens, in dem ich vom Wissenschaftler mit dem Forschungsgebiet „Künstliche Intelligenz“ zum Journalisten mit einem Schwerpunkt bei technischen Themen rund um Computer und Kameras mutierte, habe ich viele Kollegen kennengelernt, mit denen ich zusammengearbeitet habe oder mit denen ich im Großraumbüro zumindest auf Ruf- und Sichtweite Kontakt hatte. Diese ehemaligen Kollegen sind über die Jahre bei allen möglichen Arbeitgebern in ganz Deutschland gelandet, was bedeutet, dass ich fast überall irgendjemanden kenne, der mich kennt. Falls ich einmal unterbeschäftigt sein sollte, wüsste ich, an wen ich mich wenden könnte. Oder man kommt umgekehrt auf mich zu, so wie ich ja auch bei DOCMA gelandet bin, weil sich jemand an mich erinnerte und hartnäckig um mich warb.

Es ist gut, wenn es Leute gibt, die einen kennen und schätzen, und die einem notfalls helfen können. Prinzessin Leia hatte ihren Obi Wan Kenobi und Han Solo seinen Lando Calrissian; James Bond kann sich auf Felix Leiter verlassen, wenn er in den USA Superschurken jagt. Aber dazu braucht man kein Karriere-Netzwerk – nicht um die Kontakte zu pflegen und erst recht nicht, um sie herzustellen. Und wenn es darum geht, sich einfach auf dem Laufenden zu halten, was die Freunde und Bekannten denn so treiben, gibt es immer noch Facebook – das bei allem, was man an Kritischem darüber sagen kann, nicht so hüftsteif daher kommt, wie es XING tut.

XING: Raus aus dem sozialen Netz

Nun bin ich ’raus. Es ist ein bisschen wie der Austritt aus der Kirche, weil man sowieso an keinen Gott glaubt, sich keine Belohnung im Himmel ausrechnet und auch nicht auf eine kirchliche Trauung spekuliert – aber man muss halt auf einen Termin beim Bezirksamt warten und dort vielleicht noch stundenlang herumsitzen, und so dauert es, bis man sich wirklich aufrafft. Mein Dank gilt also Roland Tichy, denn er hat mich dazu gebracht, den längst fälligen Schlussstrich zu ziehen. So viele soziale Netzwerke braucht kein Mensch und ich muss mich künftig nur noch über Facebook ärgern. Das reicht.

Michael J. Hußmann
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Michael J. Hußmann

Michael J. Hußmann gilt als führender Experte für die Technik von Kameras und Objektiven im deutschsprachigen Raum. Er hat Informatik und Linguistik studiert und für einige Jahre als Wissenschaftler im Bereich der Künstlichen Intelligenz gearbeitet.

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7 Kommentare

  1. Genau der richtige Schritt! Doch: ich will bei Xing kündigen und finde nicht den richtigen Button dazu. Wie muss man es anstellen, um da herauszukommen? Freue mich über jeden Tipp, danke!

  2. Hahaha…genauso ging´s mir auch. Irgendwann hab ich mir die Frage gestellt: Was bringt mir Xing eigentlich, um festzustellen – gar nichts.

    Ursprünglich dachte ich auch mal, es wäre meiner Karriere förderlich wenn ich Mitglied dort wäre. Nur, kam nie irgendeine Anfrage von ehemaligen Kollegen. Nein, nur regelmässige Emails darüber mit wem sie neuerdings verbunden sind – Gähn.

    Ich hab meinen Account gekündigt und bis heute nicht bereut. Es hat mir keinen Mehrwert gebracht und ist zumeist nur eine Ansammlung von Leuten, denen man irgendwann mal über den Weg gelaufen ist.

    Überflüssig (Wie übrigens Facebook auch…;-))

  3. Bei XING bin ich seit langem raus.
    Der Grund: Bringt nichts.
    Ich hatte in meinem Profil meine Dienste als Experte für elektrische Sicherheit und EMV-Beratung angeboten (wie man sieht: Hat absolut nichts mit Bildbearbeitung zu tun…), aber es war nicht nur die Resonanz gleich Null, ich wurde vielmehr von Leuten belästigt, die mir entweder was verkaufen wollten, oder von Headhuntern, die mir irgendwelche Jobangebote unterbreiten wollten.
    So fiel mir der Abschied bei Weitem nicht so schwer wie weiland der aus der katholischen Kirche (aber damals war ich auch noch recht jung…).
    Bei FB bin ich auch weg, das nimmt mir zu sektenhafte Formen an mit den beiden Lagern, in die die Welt geteilt werden soll.
    Und DOCMa lese ich weiter, auch wenn es eine stark linkslastige Ausrichtung angenommen hat. Ich unterscheide nämlich zwischen der Qualität der Fachbeiträge und der Qualität der geäußerten Meinungen.

  4. Wenn man bedenkt, dass der Preis für einen Premium-Account von 2012 bis 2016 von 56 auf 95 Euro explodiert ist, gleichzeitig XING fröhlich eine Gewinnsteigerung nach der anderen veröffentlicht, dann ist das nochmals ein Grund auszusteigen. Oder zumindest das Premium zu kündigen, was ich getan habe.

  5. Witzig!
    Gerade eben habe ich meinen Premiumaccount bei XING gekündigt, da finde ich hier diesen Post.
    Bin also nicht alleine damit. Nach unangenehmen Jobwechsel und damit verbundenen „Freundschaftskündigungen“ immer wieder mit alten Bekannten konfrontiert, „Mitglieder, die Sie kennen könnten“. Was hat es mir in 10 Jahren gebracht außer Werbung und Kontaktesammlern, nichts.
    Echte Kontakte gibts halt nur im echten Leben.

  6. Für Freiberufler bringt Xing durchaus nützliche Anfragen. Ich werde mich daher nicht abmelden. Ein Premium-Account ist aber nicht nötig.

    Was LinkedIn betrifft: Da kriege ich gelegentlich auch Kontaktanfragen von mir völlig unbekannten Leuten. Aber im Gegensatz zu Doc Baumann war ich dort wirklich noch nie angemeldet.

  7. Ich finde das Thema sehr zweiseitig.

    Auf der einen Seite ist es richtig: Xing ist sehr teuer, bringt nur etwas, wenn man auf der Plattform (wie auf jeder anderen auch) aktiv ist und dadurch gesehen sowie wahrgenommen wird. Das kostet aber auch wieder sehr viel Zeit.

    Aber aus der Perspektive eines Freiberuflers betrachtet: Ja, ich habe schon Auftragsanfragen darüber gehabt und Aufträge in der Vergangenheit generieren können. Bin jahrelang für einen großen Kunden durch seine Ausschreibung auf Xing unterwegs gewesen, bis seine Arbeitsvorgaben und Honorarvorstellungen unmöglich wurden. Also bringt es doch was, wenn man sich mit der Plattform beschäftigt.

    Fazit: So unangenehm Soziale Medien für Freiberufler sind – ich meine das jetzt bezogen auf die intensive Arbeitszeit, die man investieren muss, um Bekannt zu werden (und wir wissen Zeit ist Geld) – kann man heute nicht mehr darauf verzichten. Ich persönlich bin momentan sehr selten im Netz auf allen Plattformen anzutreffen – mir ist die Zeit hinter der Kamera und mit meiner Familie wichtiger als stundenlang im Netz vertreten zu sein. Trotzdem versuche ich unregelmäßig überall präsent zu sein, um nicht im digitalen Leben vergessen zu werden.

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