Focus Bracketing und Focus Stacking: Automatische Fokus-Aufnahmereihen
Kaum hat die Autofokustechnologie Geschwindigkeiten erreicht, die nahezu an Echtzeit grenzen, kündigen die Kamerahersteller schon den nächsten technologischen Durchbruch im Bereich der automatischen Scharfstellung von Objektiven an: Die Verschiebung der Entfernungseinstellung auf die Nachbearbeitung – wahlweise gleich in der Kamera oder später am PC.
Vor der Aufnahme erst einmal scharfstellen? Das war gestern! Moderne Kameras liefern Fotografien, bei denen sich die Schärfenebenen nachträglich wählen lassen. Eine Methode dazu ist die Lichtfeldfotografie, die Bilder nicht nur zweidimensional erfasst, sondern auch die Richtung der einfallenden Lichtstrahlen aufzeichnet, wodurch jeder Bildpunkt im dreidimensionalen Raum aufgenommen wird. Doch durch ihre enorme Geschwindigkeits- und Leistungssteigerungen können nun auch Kameras mit herkömmlichen, zweidimensional arbeitenden Sensoren Bilder liefern, deren Fokusebene sich erst bei der Nachbearbeitung endgültig festlegen lässt. Die Schlüsselbegriffe für diese neue Technik sind Focus Bracketing und Focus Stacking. Ersteres bezeichnet automatisch erfasste Bildserien eines Motivs mit unterschiedlicher Scharfstellung. Der zweite Begriff bezeichnet die Softwaretechnik, die diese Einzelbilder zu einem neuen Foto mit einem definierten Schärfebereich kombiniert.
So nutzt beispielsweise Panasonic für seine Kameras die automatischen Belichtungsreihen der „4K Photo“-Technik für seine innovative „Post Focus“-Funktion. Dazu werden Bildserien mit einer Geschwindigkeit von 30 Bildern pro Sekunde erstellt bei denen die automatische Entfernungseinstellung den gesamten Bereich von nah bis fern durchfährt. Im Anschluss können Anwender dann wie in der 4K Photo Funktion, aus einer langsam ablaufenden Galerie von Einzelbildern, das mit der optimalen Schärfe auswählen und als neue JPEG-Datei speichern.
Eine Focus Bracketing Funktion hatte auch Olympus in seinen jüngsten OM-D-Modellen realisiert. Nun kommt durch die Firmware Update die Focus Stacking Funktion hinzu. Focus Stacking ist eine bekannte Technik, bei der Aufnahmen mit unterschiedlicher Entfernungseinstellung per Software zu einem von vorn bis hinten scharfen Bild kombiniert werden. Das ist vor allem bei Motiven, die bisher nur mit sehr geringer Schärfentiefe erfasst werden konnten, wie beispielsweise in der Makro und Mikro-Fotografie, aber auch bei extremen Teleaufnahmen, der Fall.
Prinzipiell ist Focus Stacking mit jeder Kamera und entsprechender Bildbearbeitungssoftware wie Adobe Lightroom oder Photoshop möglich. Moderne Kameras verfügen jedoch über eine integrierte Funktion zum Zusammensetzen der Einzelbilder, die eine nachträgliche Bearbeitung am PC überflüssig macht. Da die Serienbildschaltung mit so extrem schnellen Bildfrequenzen der Kamera eine hohe Rechenleistung abverlangt, sind Funktionen wie „Post Focus“ noch auf Aufnahmen mit etwa 8 Megapixeln begrenzt. Noch höhere Rechenleistungen würden die heutigen Prozessoren der Kameras überfordern und auch zu Überhitzungen führen.
Die Focus Stacking Aufnahmetechnik ist hingegen praktisch mit jeder Auflösung einsetzbar, wenn auch nur mit statischen Motiven. In solchen Situationen werden nacheinander manuell Aufnahmeserien mit unterschiedlicher Fokussierung erstellt, aus denen dann per Software ein Bild mit einer von vorn bis hinten reichenden Schärfentiefe zusammengesetzt wird.
Mit Focus Bracketing und Focus Stacking überwindet die Fotografie nicht nur die technischen Hürden der durch optische Gesetze begrenzten Schärfentiefe, sie eröffnen auch neue, kreative Spielräume der Bildgestaltung mit selektiver Schärfe. Mit der Möglichkeit, Schärfenebenen in einer Aufnahme nachträglich gezielt zu bestimmen, erhalten Fotografen die Möglichkeit, Schärfenräume so zu begrenzen oder zu erweitern, wie es dem jeweils individuellen Gestaltungswunsch am ehesten entspricht. Allerdings sind noch Einschränkungen beim Auto-Bracketing und Auto-Stacking zu beachten: Voraussetzung sind Objektive, deren Entfernungseinstellung sich präzise durch die Kamera steuern lassen.
Die neuartigen Autofunktionen machen die Nutzung der nachträglichen Scharfstellmöglichkeiten einfacher und schneller. Sie geben Fotografen aber zusätzlich weitere interessante Mittel für die Bildgestaltung an die Hand. So zum Beispiel in der Lichtfeldfotografie, die als wichtigen Nebeneffekt nicht nur 3D-Aufnahmen einfach erzeugen kann, sondern die Möglichkeit der Wahl individueller Schärfenebenen auch erlaubt, diese einfach auszutauschen und durch eine andere zu ersetzen. So lassen sich beispielsweise störende Hintergründe ganz einfach durch einen neuen ersetzten.
Nicht immer verlangt der Wunsch, die neuen Auto-Bracketing und Auto-Stacking Methoden nutzen zu können, auch den Kauf einer neuen Kamera. Viele digitale Kameras werden von den Herstellern durch Firmware Updates auf den neuesten Stand gehalten. Ein Vorteil der guten neuen Zeit: Hochwertige Kameras behalten ihren Wert länger, weil es die Digitaltechnik ihnen länger erlaubt, durch Updates mit der rasanten Entwicklung der Fototechnik Schritt zu halten.
Quelle: prophoto-online.de