Gastkommentar: Bewegte Natur
Immer wieder wird DOCMA Award Gewinner Jens Rosbach gefragt, ob seine Landschaftsfotos „echt“ sind – oder ob sie mit Photoshop verfremdet wurden. Und dann erntet er regelmäßig ungläubige Blicke für seine Antwort, dass die verwischten Horizonte, Meere und Berge in der Kamera entstehen. Hier nun sein Plädoyer für einen maßvollen Einsatz von Bildbearbeitungs-Software.
Spaziergänger staunen manchmal nicht schlecht, wenn sie mich in der Natur fotografieren sehen. Sie erblicken dann einen scheinbar Verrückten, der ruckartig seine Kamera hin- und herschwenkt – mitunter eine halbe Stunde lang. Doch wenn sich die Beobachter dann neugierig heranpirschen und einen Blick auf den Monitor meiner Spiegelreflexkamera werfen, höre ich oft nur noch ein „Wow!“ Kein Wunder: Durch das bewusste Verziehen der Kamera kann man beeindruckende Fotos kreieren: Fotos, die wie gemalt wirken. Die Abstraktion lädt dazu ein, die Bilder besonders lange zu betrachten – ohne dass man sich an den Motiven satt sieht. Allerdings erfordert die sogenannte „Camera in motion“-Technik viel Ausdauer. Einfacher ist es, eine statische Naturaufnahme in Photoshop zu laden und mit dem Filter „Bewegungsunschärfe“ drüber zu gehen. Auch auf diese Weise lassen sich Felder und Wälder in Streifen verwandeln. Doch häufig sieht man den „gefakten“ Bewegt-Bildern ihren Ursprung an: Die Übergänge und Schattierungen wirken ziemlich glatt. Zudem raubt man sich vor dem Computer den Spaß, eine Aufnahme experimentell – bei Wind und Wetter – zu gestalten.
„Camera in motion“- Experimente beginnen im Kopf. Vorab (und nicht später am Monitor!) muss ich mir überlegen, an welcher optischen Linie das Motiv verzogen werden soll: Entlang des Horizonts oder besser vertikal – etwa entlang eines Baumstammes? Dann muss ich mir vorstellen, welche Formen und welche Farben ineinander fließen sollen. Schließlich muss ich eine ausreichend lange Belichtungszeit wählen. Mitunter ist der Griff zum Graufilter nötig, um die Verschlusszeit zu verlängern. Erst jetzt kann ich den Auslöser drücken, die Kamera bewegen und dabei versuchen, den anvisierten Landschafts-Ausschnitt zu erwischen. Dabei sollte immer eine Hauptlinie erkennbar bleiben, das Auge braucht einen Ruhepol.
Ist das gesamte Bild verwischt, wirkt das Foto oft fade. Da Bewegungswinkel und Verzieh-Geschwindigkeit nicht exakt kontrollierbar sind, sieht jede Belichtung anders aus. Aber gerade der Überraschungseffekt macht diese Aufnahme-Technik zu einer besonders spannenden. Oft muss ich hunderte Fotos schießen für ein perfektes Bild. Neben dem kreativen Vergnügen spricht auch die Authentizität des Bildes für einen Verzicht auf Photoshop-Filter. In den vergangenen Monaten habe ich meine „bewegten Landschaften“ in verschiedenen Ausstellungen gezeigt – als schreibtischgroße Kunstdrucke.
Und nur weil ich die Frage nach der „Echtheit“ der Aufnahmen bejahen konnte, wollten die Besucher die Werke auch erwerben. Eine digitale Verfremdung hätte die Fotografien nach ihrer Meinung entwertet; niemand hätte die Drucke zu Hause über seine Couch gehängt. Würde ich meine Aufnahmen mit einer Software verwischen, könnte ich auch nicht an Naturfoto-Wettbewerben teilnehmen. Denn die Regeln etwa beim „Wildlife Photographer of the Year“ in London sind rigoros: Die Motive müssen innerhalb der Kamera entstanden sein; es zählt lediglich das, was mit dem Auge komponiert wird. Bildbearbeitung ist nur eingeschränkt erlaubt. Zur Kontrolle fordert die Jury die Originaldateien an – etwa die RAW-Bilder, die sämtliche Aufnahmedaten enthalten.
Fazit: Wer sein künstlerisches Talent fördern, wer „echte“ Fotos schießen und veröffentlichen will, der sollte die Landschaft nicht später am Bildschirm verwischen – sondern an Ort und Stelle: in der freien Natur. Photoshop kann man sich an dieser Stelle für Pixelfehler, Sensorflecken und den Feinschliff aufheben.
Jens Rosbach arbeitet in Berlin als Fotograf und Journalist. Mit seinen Bewegt-Bildern hat er bereits mehrere Erfolge erzielt. So gewann er beim DOCMA Award 2013 gleich zwei Preise mit Camera-in-motion-Aufnahmen. Und beim weltgrößten Naturfoto-Wettbewerb „Wildlife Photographer of the Year“ ist er in diesem Jahr Finalist geworden mit der abgebildeten Strandaufnahme. Mehr Fotografien gibt es auf seiner Webseite.
Ehre, wem Ehre gebührt.
Dank an den Fotografen, der daran erinnert, was der Unterschied zwischen Bildbearbeitung und Fotografie ist. Hier zählt eben nicht die scheinheilige Ausrede von Leuten (nicht: Fotografen), die ihre „Fotos“ am Monitor pimpen, um sich einen Vorteil gegenüber der Konkurrenz zu verschaffen und die dann hinterher von einer „Fotografie“ phantasieren, mit Sätzen wie diesen: „Entscheidend ist doch, was am Schluss bei raus kommt“ oder „Hauptsache man hat Spaß dabei.“.
MfG – Frank
@jens rosbach
Wow, für Ihre Besucher wird durch eine digitale Verfremdung eine digitale Fotografie entwertet. Sie bekräftigen Ihre Geschichte noch „… und niemand hätte sich die Drucke zu Hause über die Couch gehängt“.
So etwas Schönes habe ich noch nie gelesen, auch durfte ich bis heute niemals solche Menschen kennenlernen. Vielleicht ist das ja ein neuer Trend und alle großen Anbieter von verfremdeten Bildern rauschen in die Pleite. Sie müssen dann nur noch etwas „weiterwackeln“ und dafür gibt es für Sie richtig Kohle.
Ein herzliches Dankeschön auch für den Hinweis welche Funktionen ich von Photoshop in Zukunft noch nutzen kann. Meine ca. 100 Plugins habe ich schon gelöscht, denn das ist ja richtiges Teufelszeug.
PS.: Ihr Bild ist ja eigentlich wirklich gut, warum mussten Sie unbedingt Ihre Story an der digitalen Verfremdung mit Photoshop aufhängen?
MfG
Kay Michael Kuhnlein
@shashi
Wie naiv von mir, ich habe tatsächlich gedacht jeder Mensch darf mit seinem Photoshop und seinen digitalen Fotos machen was er will. Den Unterschied zwischen „Leuten“ und „Fotografen“ habe ich auch nie so richtig wahrgenommen. Ihre beiden Sätze „… Entscheidend ist doch, was am Schluss bei rauskommt“ und „… Hauptsache man hat Spaß dabei“ gehörten auch zu meinem Fehlverhalten.
Danke für die Aufklärung (vielleicht ist „Erleuchtung“ der noch bessere Ausdruck). Ich gelobe Besserung.
Ich hätte da noch eine Frage: Sind Sie Einzelkämpfer oder gibt es schon ein Verein gegen die Nutzung von Bildbearbeitung?
MfG
Kay Michael Kuhnlein
Danke, Herr Kunhlein, für den ungeschönten Blick in das wutverzerrte Gesicht der Möchtegern-Fotografen unserer Zeit.
Sie bilden die Problematik der „digitalen Fotografie“ (ein riskantes Wortkonstrukt…) der Gegenwart ab: Menschen, die nicht malen, nicht singen, nicht kreativ sein können (dafür schilt sie niemand), die aber glauben, weil sie mit irgendwas (am besten ganz Teurem) knipsen, hätten sie ein Recht darauf, als Fotograf wahrgenommen zu werden – und die sich darauf hin besonders gern in Internet-Foren um sogenannte Klicks und andere Formen virtueller „Wahrnehmung“ balgen (weil ihnen die reale verschlossen bleibt), weil sie leider auch noch geltungssüchtig sind. Dazu ist jedes Mittel recht, auch die Manipulation. Ein übles Possenspiel, das allerdings gut in unsere von soliden Werten entleerte Gesellschaft passt.
Wie groß muss ihr Neid, Ihr Hass auf jene sein, die etwas können? Die die Fotografie erlernt und verstanden haben?
Sie versteigen sich in bizarre Äußerungen, um sich selbst eine Rechtfertigung für eine Selbstlüge zu geben. Da bleibt mir nur ein Schmunzeln übrig.
Was Ihren Neid auf das Geld anderer Leute betrifft: Ich kann Ihnen nur raten: Hören Sie auf, mit Millionen Ihrer Art Felder zu beackern, die schon lange unfruchtbar sind. Legen Sie im besten Fall die Kamera weg. Versuchen Sie sich in der rein digitalen Erschaffung von …, ja, was auch immer. Aber passen Sie auf, auch hier ist die Konkurrenz verdammt stark, wie docma zeigt. 🙂
MfG – Frank