Politische Pixel: KI auf rechts gedreht

Generativen KI-Systemen werden oft verborgene Vorurteile unterstellt, aber tatsächlich erweisen sie sich als recht geschmeidig, wenn sie in den Dienst jedweder politischer Propaganda gestellt werden. Michael J. Hußmann analysiert, wie sich eine Partei am rechten Rand die künstliche Intelligenz nutzbar macht. Von einer generativen KI erhofft man sich, dass sie weltanschaulich wie auch in jeder anderen Hinsicht neutral ist und getreulich umsetzt, was man ihr als Prompt vorgibt. Dabei reflektiert sie allerdings die Inhalte des zum Training verwendete Materials und die darin enthaltenen Vorurteile und Klischees. Nachdem die Kritik an generativen KIs aufkam, dass diese nur Menschen mit weißer Hautfarbe zu kennen schienen, haben Adobe und Google mit ihren KI-Modellen gegenzusteuern versucht, es damit aber eher noch schlimmer gemacht – asiatische Wehrmachtssoldaten, schwarze Wikinger und weibliche Päpste sind nicht divers, sondern Geschichtsklitterung (www.docma.info/23210). Dabei haben die KI-Modelle im Training schon fast alles und von fast allem auch das Gegenteil gesehen; sie neigen zwar zum Durchschnittlichen und damit zum Klischee, doch sie kennen ebenso das Ungewöhnliche und Abseitige. Es braucht nur einen Prompt, der es hervorlockt – es sei denn, es ginge um Nacktheit. Eine generative KI ist daher flexibel genug, sich die unterschiedlichsten Sichtweisen zu eigen zu machen. So setzen auch die politischen Parteien die KI ein, meist allerdings nur als billige Alternative zur Lizenzierung von Stockfotos. Die Partei, die den größten Gebrauch von generierten Bildern macht und sie auch zu propagandistischen Zwecken nutzt, ist die AfD. Mit dem Prompt „arab migrants in Berlin“ hat der AfD-Bundestagsabgeordnete Norbert Kleinwächter dieses Motiv generieren lassen. Zugespitzt Ein besonders eifriger KI-Nutzer unter den AfD-Politikern ist der Bundestagsabgeordnete Norbert Kleinwächter, der zum relativ gemäßigten Flügel seiner Partei gerechnet wird. 2023 erregte er mit propagandistischen Posts auf Instagram Aufsehen, deren Motive einer seiner Mitarbeiter mit Midjourney generiert hatte. Die Forderung „Nein zu noch mehr Flüchtlingen“ illustrierte er mit einem Bild, das aggressiv wirkende bärtige Männer mit hassverzerrten Gesichtern zeigte – der verwendete Prompt war „arab migrants in berlin“ gewesen. Dass es sich um das Produkt einer KI handelte, war nicht gekennzeichnet. Bei einem anderen Post mit dem Slogan „Lauterbachs Lügen lückenlos aufdecken“ lag es nahe, im Bild eines in Raserei geratenen Gesundheitsministers eine karikierende Darstellung zu vermuten, aber auch hier war die Herkunft des Bildes nicht vermerkt – Kleinwächter hielt dies für unnötig. Eine von Midjourney generierte Darstellung eines brüllenden, bärtigen Klimaaktivisten, vor dem Passanten fliehen, überschrieben mit „Klima-Wahnsinnige nehmen Tote in Kauf“, sei laut Kleinwächter „eine prototypische Darstellung dessen, was man sich in den Reihen der AfD als Klimaaktivisten vorstellt“. Er verteidigt seine Posts damit, dass die Darstellung zwar überzogen sei und nicht die Realität abbilde, eine solche Überspitzung aber nötig sei, wenn man in den sozialen Medien ein Echo erzielen wolle. Norbert Kleinwächter steht hier nicht alleine. Roger Beckamp, ebenfalls Bundestagsabgeordneter der AfD, postete KI-Bilder eines blutbespritzten blonden Mädchens als Werbung für das AfD-Portal „Einzelfallticker“. Der Landesverband Baden-Württemberg illustrierte „Sie wollen den Feldberg zerstören“ mit Windrädern in einem toten Wald – das Bild war ebenso wenig real wie das eines mit Stacheldraht geschützten Weihnachtsmarktes. Generell sind die Aussagen von AfD-Politikern zu dieser Kommunikationsstrategie widersprüchlich: Einerseits will man mit provozierenden und emotionalisierenden Bildern eine breite, für differenzierte Darstellungen nicht erreichbare Masse ansprechen, beruft sich andererseits aber auf die Medienkompetenz der Adressaten, die KI-generierte Bilder nicht mit der Realität verwechseln würden. Wer würde sich von diesem Arzt (und Gesundheitsminister) gegen COVID-19 impfen lassen? Linke Bilder, rechte Bilder Eine simplifizierende, an die Gefühle appellierende Ansprache ist für die Wahlwerbung typisch. Hierin unterscheiden sich die Parteien an beiden Enden des politischen Spektrums kaum, und auch in der Mitte wird selten differenzierter argumentiert. Betrachtet man die Parteipropaganda in einem weiter gefassten historischen Kontext, zeigen sich zwischen Links und Rechts Ähnlichkeiten, aber auch charakteristische Unterschiede, die es genauso schon vor dem Einsatz der generativen KI gab. Typische linke und rechte Narrative gleichen sich insofern, als sie eine Auseinandersetzung zwischen „uns“ und irgendwelchen feindlich gesinnten Anderen beschreiben. Klassische linke Narrative sind der vom Klassenkampf der Kapitalisten gegen die Besitzlosen, die nur ihre Arbeitskraft anzubieten haben, und die Geschichte der Ausbeutung kolonisierter Länder durch imperialistische Staaten. Rechtsextreme sehen die Bürger dagegen von einer Elite bedroht, die der „Volksgemeinschaft“ fremd ist – Juden, Freimaurer, Bilderberger oder nicht näher definierte Globalisten sind die klassischen Feindbilder. Einen großen Unterschied gibt es dagegen in den propagandistischen Botschaften. Die typische linke Propaganda wirbt für die Solidarität der Entrechteten und stellt in Aussicht, dass die Gegner so überwunden werden können. „Los fascistas no pasarán!“ („Die Faschisten werden nicht durchkommen!“) war die wichtigste Parole im spanischen Bürgerkrieg, und Mao Tse-tung schrieb: „Alle Reaktionäre sind Papiertiger. Dem Aussehen nach sind sie furchterregend, aber in Wirklichkeit sind sie gar nicht so mächtig“. Dagegen setzt die rechte Propaganda durchweg darauf, Angst und Entsetzen zu erregen; sie stellt den Gegner als möglichst gefährlich, brutal und rücksichtslos dar. So empfehlen sich rechtsextreme Parteien als letztes Bollwerk gegen diese oft als alles überrollende Flut beschriebene Bedrohung. Als wollte man vor den Gefahren der Inzucht warnen, warb der AfD-Kreisverband Esslingen mit verzerrten, KI-generierten Gesichtern für den Genuss beim „Deutschen Grillfest“. Das Ferkel auf dem Grill ist vermutlich einmontiert. Einer generativen KI kommt diese Strategie entgegen, denn für die Darstellung grauenerregender Gefahren gibt es unzählige Vorbilder, mit denen die KI-Modelle trainiert wurden. Eine Visualisierung von Solidarität oder der Überwindung tatsächlich schwacher Gegner stieße dagegen auf größere Schwierigkeiten. Natürlich ließe sich der für Rechtsextreme charakteristische Propagandastil auch gegen diese wenden, wie das Aufmacherbild (ganz oben) illustriert: Die AfD war im Prompt gar nicht erwähnt, sondern nur eine anstürmende Welle von Zombies in blauen Anzügen; dass sie an den roten Pfeil im AfD-Logo erinnernde Schlipse tragen, war eine unverlangte Zutat der KI und mag Zufall sein. Bilder: KI / AfD Göppingen … die an den genannten Orten niemand kennt. Der Realität nachhelfen Die AfD nutzt die generative KI nicht nur für reißerische, starke Emotionen weckende Motive, sondern manchmal auch subtiler. Ein Beispiel dafür sind Testimonials angeblicher Neu-Parteimitglieder unter dem Motto „Gesicht zeigen“. So warnte „Dr. Stefanie Müller“ in einem Post der AfD Göppingen vor einem aufziehenden Faschismus und bekannte sich dazu, wegen der Ausgrenzung Andersdenkender der AfD beitreten zu wollen. Tatsächlich gibt es diese Person nicht; das Porträt ist per KI generiert. Dasselbe gilt für einen „Tobias Mayer“ aus Bad Boll, den die „Verspargelung der Landschaft“ durch Windräder angeblich zur Mitgliedschaft im AfD-Ortsverband Unteres Filstal motiviert hätte. Zur Rechtfertigung berief sich die AfD wiederum darauf, dass die KI-Bilder als solche erkennbar seien und niemanden in die Irre führen würden; dagegen spricht allerdings, dass mutmaßlich echte AfD-Mitglieder den vermeintlichen Neuzugängen in ihren Kommentaren dazu gratulierten, endlich den Weg in die Partei gefunden zu haben. Wohl nicht ganz zufällig zum Beginn des islamischen Fastenmonats Ramadan warb der AfD-Kreisverband Esslingen für ein „Deutsches Grillfest“. Schon die seltsam verformten Nasen der Feiernden ließen auf eine generative KI als Haupt-Bildquelle schließen (bei einer normalen Bildgröße bemerke man das nicht, erklärte die Partei), aber neben die mit Wein statt Bier eher mediterran als deutsch wirkende Party wurde noch ein Ferkel am Grillspieß montiert. Die eigentlich harmlose Anregung zu einem Fest im „Genussmonat“ sollte wohl Muslime verspotten, die während des Ramadan tagsüber nichts essen und trinken – und Schweinefleisch ohnehin nicht konsumieren –, aber diese naheliegende Schlussfolgerung hat die AfD Esslingen bestritten. Ein besonders kurioses Beispiel für KI-generierte Bilder verwendete die AfD auf ihrem Bundesparteitag in Magdeburg. Ein reicher Gönner hatte der Partei sein Vermögen testamentarisch vermacht, unter anderem einen aus Barren und Münzen bestehenden Goldschatz im Wert von rund 10 Millionen Euro. Die Zurechnungsfähigkeit des an einer Psychose leidenden Erblassers wurde in Zweifel gezogen, die Echtheit des Goldes musste noch überprüft werden, und ob die AfD das mutmaßlich wertvolle Erbe behalten kann, war daher noch nicht sicher. Den Parteitagsdelegierten wurde aber schon einmal gezeigt, wie die Funktionäre in einem Tresorraum das Gold zählten, was zwei von ihnen dank ihrer sechs Finger besonders schnell von der Hand zu gehen schien – es handelte sich ganz offensichtlich um ein Produkt einer generativen KI, wie Parteivertreter schließlich einräumten. Die Verwendung von Symbolbildern, die fehlende Fotos der originalen Szene ersetzen sollen, ist zwar nicht neu, muss aber natürlich gekennzeichnet sein. Der AfD scheint die Erfindung von zum jeweiligen Narrativ passenden Bildern mittlerweile zur zweiten Natur geworden zu sein. Eine generative KI kann uns die Welt zeigen, wie immer wir sie uns vorstellen mögen; das ist oft amüsant und im besten Fall vielleicht sogar Kunst. Gefährlich wird es jedoch, wenn man als Bestätigung der eigenen Weltanschauung nimmt, was doch nur deren frei erfundene Illustration ist. Waldsterben und Windräder unter düsterem Wolkenhimmel … … sind KI-generiert, wie die ihren Goldschatz zählenden AfD-Politiker.