(Un)Schön bunt

Nicht alle Farben in Fotos entstammen dem Motiv; manche sind unwillkommene Zutaten des Objektivs. Solche chromatischen Aberrationen werden nie vollständig optisch korrigiert, und eine digitale Korrektur ist nur begrenzt möglich. Michael J. Hußmann erklärt die Entstehung von Farbfehlern und wie man sie bekämpft. Gäbe es eine ideale optische Abbildung, würde alles Licht, das von einem Punkt des Motivs ausgeht und dann irgendwie das Objektiv erreicht, dahinter in einem Punkt auf dem Sensor wiedervereinigt. Das Ergebnis wäre eine perfekte Umsetzung der dreidimensionalen Umgebung in ein zweidimensionales Bild. In der Realität kommt es jedoch darauf an, wo und in welchem Winkel das Licht auf die Frontlinse trifft, und ebenso auf seine Wellenlänge, denn all das beeinflusst seinen weiteren Weg zum Sensor. Das liegt nicht an Entwurfsfehlern oder an Schlampereien in der Fertigung, sondern an der Art und Weise, in der Linsen das Licht brechen. Linsenobjektive erzeugen nur eine Annäherung an die ideale optische Abbildung, und uns bleibt, ihre Abbildungsfehler möglichst gut zu kompensieren. In der Optik unterscheidet man zwischen monochromatischen und chromatischen Abbildungsfehlern. Monochromatische Fehler wie die Verzeichnung oder die sphärische Aberration entstehen selbst dann, wenn man es mit Licht einer einzigen Wellenlänge zu tun hat. Im typischeren Fall, dass wir alle Wellenlängen des sichtbaren Lichts für unsere Fotos nutzen, kommen die chromatischen Aberrationen noch hinzu. Dies hat wohlgemerkt nichts mit Schwarzweiß- und Farbfotografie zu tun: Chromatische Aberrationen machen sich auch in Schwarzweißbildern bemerkbar – nicht als Fehlfarben, doch zumindest als Unschärfe. Alle farbigen Abbildungsfehler haben ihre Ursache in der sogenannten Dispersion: Je nach seiner Wellenlänge wird das Licht beim Übergang zwischen Luft und Glas unterschiedlich stark gebrochen – meist um so stärker, je kürzer die Wellenlänge ist. Eine Linse lenkt also blaues Licht mehr von seinem Weg ab als grünes, und grünes Licht wiederum mehr als rotes. Dass man trotzdem zwischen Farblängsfehler, Farbquerfehler und Sphärochromatismus unterscheidet, liegt an deren unterschiedlichen Eigenschaften, vom Erscheinungsbild und den Bedingungen ihrer Entstehung bis zu den Korrekturmöglichkeiten. Komplementärfarbige Säume aufgrund des Farbquerfehlers Farbquerfehler Jeder der drei chromatischen Abbildungsfehler ist die Variante eines bestimmten monochromatischen Fehlers, die sich zeigt, wenn verschiedene Wellenlängen im Spiel sind. Der Farbquerfehler (auch laterale chromatische Aberration genannt) beruht auf einer Verzeichnung: Bei kurzen Brennweiten ist der Abbildungsmaßstab in der Bildmitte am größten und fällt zum Rand hin ab, mit dem Ergebnis einer tonnenförmigen Verzeichnung. Bei langen Brennweiten ist es umgekehrt und der größere Abbildungsmaßstab am Rand bewirkt eine kissenförmige Verzeichnung. Da der Abbildungsmaßstab aber auch von der Wellenlänge abhängt, ist die Verzeichnung für verschiedene Farben unterschiedlich stark. Um kontrastreiche Motive entstehen daher komplementärfarbige Farbsäume, und zwar vor allem an den Bildrändern und -ecken, wo auch eine Verzeichnung am auffälligsten ist. Abblenden kann dagegen nichts ausrichten. Für eine achromatische Korrektur des Farbquerfehlers nutzt man aus, dass die Dispersion bei Zerstreuungslinsen umgekehrt wie bei Sammellinsen wirkt. Kombiniert man eine Sammellinse mit einer schwächeren Zerstreuungslinse, wirken beide zusammen immer noch wie eine Sammellinse, und wenn die Zerstreuungslinse aus einer Glassorte mit stärkerer Dispersion besteht, kann sie den Farbquerfehler teilweise kompensieren. Rotes und blaues Licht werden in gleicher Weise gebrochen; nur grünes Licht verhält sich weiterhin anders. Aus dem unterschiedlichen Verhalten grünen Lichts einerseits und rotem und blauem Licht andererseits entstehen grüne und violette Farbsäume. Eine aufwendigere apochromatische Korrektur vereinheitlicht die Lichtbrechung für drei Wellenlängen. Unter anderem nutzt man Gläser mit einer anomalen Teildispersion, die beispielsweise Rot und Grün ähnlich stark brechen, während die Lichtbrechung zwischen Grün und Blau stärker abweicht. Eine Korrektur für Rot und Blau vereinheitlicht die Abbildung dann auch für Grün. Streng genommen handelt es sich allerdings nur um eine Korrektur für drei einzelne Wellenlängen. In den Bereichen dazwischen weicht die Lichtbrechung weiterhin ab, denn eine vollständige Aufhebung der Dispersion ist unmöglich. Nach der optischen Korrektur im Objektiv wird ein verbleibender Farbquerfehler meist digital korrigiert, sei es in der Kamera oder im Raw-Konverter. Eine unterschiedliche Entzerrung des Bilds im Rot-, Grün- und Blaukanal bringt die Farbauszüge wieder zur Deckung. Der Farblängsfehler wird vor allem bei offener Blende sichtbar. Farblängsfehler Selbst wenn der Farblängsfehler gut korrigiert ist, kann sich vor allem bei offener Blende noch ein Farblängsfehler (die longitudinale chromatische Aberration) zeigen; das ist die chromatische Variante einer Fehlfokussierung: Aufgrund der Dispersion hängt es von der Wellenlänge ab, wo sich die Lichtstrahlen zu einem Punkt bündeln, und so ist das Bild immer nur für eine Farbe scharf. Wenn man für grünes Licht scharfgestellt hat, vereinigt sich blaues Licht in einem Punkt vor dem Sensor und rotes Licht dahinter. Vor und hinter der Ebene maximaler Schärfe entstehen daher unterschiedlich farbige Säume. Im Gegensatz zum Farbquerfehler tritt der Farblängsfehler gleichmäßig im ganzen Bildfeld auf. Die Fehlfokussierung einzelner Wellenlängen aufgrund des Farblängsfehlers lässt sich wie jede Fehlfokussierung durch Abblenden kaschieren. Umgekehrt sind hoch lichtstarke Objektive bei offener Blende besonders anfällig dafür. Eine theoretisch mögliche digitale Korrektur scheitert in der Praxis daran, dass sie von der Entfernung jedes einzelnen Bildpunktes abhängig wäre, und diese müsste millimetergenau bekannt sein. So bleibt nur, den Effekt durch eine lokale Entsättigung zu unterdrücken. Purple Fringing zeigt sich an dunklen Motiven vor hellem Hintergrund. Sphärochromatismus Dieser dritte Farbfehler ist die chromatische Variante der sphärischen Aberration. Am Rand einer sphärischen Linse wird das Licht stärker als nahe deren Mitte gebrochen; das scharfe Bild wird von unscharfen Bildern überlagert und damit weichgezeichnet. Zusammen mit der Dispersion ergibt sich daraus der Sphärochromatismus, der nicht immer klar vom Farblängsfehler zu unterscheiden ist; wie dieser zeigt er sich im ganzen Bildfeld. Seine auffälligste Form ist das Purple Fringing – violette Halos um Motive im starken Gegenlicht. Abblenden verkleinert die Fläche der Linse, die an der Bildentstehung beteiligt ist, und verringert damit gleichzeitig die sphärische Aberration und den Sphärochromatismus. Eine digitale Korrektur ist wiederum nur durch eine lokale Entsättigung möglich