Energieprobleme

Unter dem englischen Begriff „Out of Bounds“ versteht man Fotomontagen, bei denen Teile der Bildinhalte aus dem Bild herausragen – also wörtlich aus dem Rahmen fallen. Olaf Giermann zeigt Ihnen anhand seiner Fotomontage „Energieprobleme“ praktische Tipps & Tricks, um solche Projekte umzusetzen. 01 Ideenfindung – und Entwürfe zusammenstellen Um Ideen zu finden, kann es sich lohnen, auch einmal ziellos durch den eigenen Fotobestand oder Stock-Foto-Sammlungen zu scrollen. Bilder, die ursprünglich für einen ganz anderen Anwendungszweck aufgenommen wurden, werfen dann mitunter das Kopfkino an. Ich setze mich beispielsweise gerne mit iPad und Apples Stift auf den Balkon oder in einen ruhigen Biergarten und skizziere Ideen. Für Fotomontagen nutze ich dafür Photoshop auf dem iPad (a). Das hat zum einen den großen Vorteil, dass die Bilder automatisch in der Creative Cloud gespeichert werden, so dass ich später am Desktop-Rechner nahtlos weiterarbeiten und das Bild optimieren kann. Zum anderen gibt es KI-basierte Funktionen wie »Objektauswahl« (b) oder »Motiv auswählen« (c), die das Maskieren beschleunigen, sowie »Generatives Füllen«. Den Bildentwurf finden Sie am Hauptrechner, indem Sie im »Öffnen«-Dialog von Photoshop auf »Cloud-Dokumente öffnen« (d) klicken. 02 Bild-Varianten Als Nutzer von Adobe Stock freut mich vor allem, dass ich in Photoshop viele verschiedene Bildvarianten (wenn auch mit Adobe-Wasserzeichen) ausprobieren kann, ohne jedes verwendete Bild sofort lizenzieren oder später erneut suchen, einsetzen und wiederum freistellen sowie transformieren zu müssen. Denn die Datei wird als cloud-verlinkte Smartobjekt-Ebene (a) an Photoshop übergeben. Sehr schade: Photoshop auf dem iPad unterstützt diesen Workflow leider nicht und platziert Stockfotos nur gerastert. In meinem ersten Entwurf für eine Out-of-Bounds-Montage wählte ich die typische Konstellation für diesen Effekt: einen aufrechten Rahmen (hier: einen Mobiltelefon-Bildschirm), aus dem die Bildelemente (also die Giraffen) nach oben beziehungsweise vorn hinausragen (b). Die vordere Giraffe sollte für Zuckerwürfel oder Wasser in die Grätsche gehen – ich entschied mich dann aber doch für meine Idee mit dem Energieproblem, obwohl der Out-of-Bounds-Effekt dabei nicht ganz so offensichtlich ist. Lizenzieren, also Geld ausgeben, muss man erst, sobald die Komposition feststeht. Das braucht nur einen Klick im »Eigenschaften«-Panel (c) und einen weiteren im Folgedialog (d). 03 Elemente grob anordnen Egal, ob Sie – wie ich in diesem Fall – auf dem iPad starten oder auf dem Desktop-Rechner: Ziehen Sie die einzelnen Elemente (a-d) der geplanten Fotomontage (e) in eine gemeinsame Datei mit der gewünschten Ausgabegröße und Auflösung. Stellen Sie die Motive zunächst nur grob frei, falls Sie sich nicht sicher sind, ob Sie sie später tatsächlich verwenden werden. Man kann oft viel Zeit durch genaues Freistellen von Elementen und Details verschwenden, die im finalen Bild gar nicht mehr auftauchen oder dort durch andere Ebenen verdeckt werden. Heben Sie sich die Detailarbeit also für später auf! 04 Genau freistellen Sobald Ihre Bild-Komposition festgelegt ist, sollten Sie die einzelnen Elemente der Montage so genau wie möglich freistellen. Meistens – vor allem bei geringem und auch wechselndem Kontrast zwischen Motiv und Hintergrund – kommen Sie am schnellsten und präzisesten mit dem »Zeichenstift« zum Ziel (a). Hier hilft unser Premium-Workshop aus DOCMA 90 (www.docma.info/23205) zum Thema Pfad, in dem Sie alles über das Maskieren und Freistellen mit den Pfadwerkzeugen erfahren. Die Giraffen haben aus dem gewählten Aufnahmeabstand bei der gegebenen Sensorauflösung keine erkennbare Fellstruktur an den Körperkonturen mehr, so dass eine weiche Auswahlkante völlig ausreicht. Bei aktivem »Zeichenstift« wählen Sie nach einem Rechtsklick »Auswahl erstellen« und im folgenden Dialog (b) eine weiche Kante zwischen 0,5 und 1,5 Pixeln – je nach Größe des Bildes. Klicken Sie anschließend in der »Ebenen«-Palette auf »Maske hinzufügen«, um die Hintergründe der Giraffen auszublenden. 05 Haare/Fell freistellen Mit Pfaden stellen Sie natürlich keine feinen Details frei. Bei ausreichendem Kontrast zum Hintergrund können Sie Motivkanten mit »Auswählen und maskieren« optimieren, indem Sie den »Radius« für die Kantenverbesserung erhöhen oder mit dem »Kante-verbessern-Pinsel« über die Haar- beziehungsweise Fell-Strukturen malen. Das Ergebnis dieser Vorgehensweise sehen Sie hier links (a). Ob sie funktioniert, hängt vom verwendeten Foto ab. Die verschiedenen Automatiken des Freistellens hatte ich Ihnen detailliert in DOCMA 109 vorgestellt (www.docma.info/23206). Hier bei der Giraffe war das Ergebnis unbefriedigend, so dass ich mit Fell-Pinselspitzen zusätzliche Haare einmalte (b). Diese Pinselvorgaben finden Sie nach Anmeldung über den folgenden Link: www.docma.info/23211 06 Der Out-of-Bounds-Effekt Die in den beiden vorhergehenden Schritten aufwendig freigestellte Giraffe steht im Montage-Entwurf ziemlich verloren auf dem erfreulicherweise im Stockfoto bereits mit Weiß gefüllten Display (a). Duplizieren Sie die Ebene mit dem Motiv (also der Giraffe) und löschen Sie die Ebenenmaske – zunächst wird damit wieder das gesamte Originalfoto sichtbar (b). Blenden Sie die Ebene aus und selektieren Sie die Fläche des Bildrahmens (hier: die Fläche des Displays). In diesem Fall ist das schnell und einfach mit dem »Zauberstab« mit einem Klick in die weiße Fläche erledigt (c). Blenden Sie die Ebene wieder ein und wählen Sie »Maske hinzufügen« (d). Bringen Sie anschließend die zweite Giraffe in Position und transformieren Sie sie auf eine passende Größe. TIPP: Um bei der Anordnung und Skalierung der Giraffen flexibel zu bleiben, sollten Sie die jeweilige Ebene nach dem Freistellen in ein Smartobjekt konvertieren. Auf diese Weise ist das Transformieren non-destruktiv und Sie behalten die optimale Bildqualität. 07 Farbe und Kontrast der Giraffen anpassen Die beiden Giraffen unterscheiden sich deutlich in Helligkeit, Farbe, Kontrast und Schärfe. Das können Sie unkompliziert mit dem »Camera Raw-Filter« (a) korrigieren, in dem Sie alle notwendigen Regler in einem Fenster vereint vorfinden. Achtung: Da Sie die Giraffen-Ebenen in ein Smartobjekt kopiert haben, ist die Filteranwendung zudem non-destruktiv, so dass Sie die Einstellungen jederzeit optimieren können. Das müssen Sie wahrscheinlich auch, denn der »Camera Raw-Filter« zeigt leider nur die aktuelle Ebene an. Sie sehen während der Korrektur also weder den Hintergrund noch die andere Giraffe. In den »Grundeinstellungen« (b) korrigieren Sie Helligkeit und Kontrast und stimmen die Sättigung ab. Den lokalen Kontrast erhöhen Sie mit dem Regler »Klarheit«, während Sie die Schärfe mit Hilfe der »Struktur« abgleichen. Im »Farbmischer« korrigieren Sie die im Ausgangsfoto zu gesättigt und kontrastarm vorhandenen Rottöne. Verschieben Sie den »Farbton« zu Orange (c) und reduzieren Sie die »Sättigung« (d). Über die »Luminanz«-Regler stellen Sie den gewünschten Helligkeitskontrast her (e). Passen Sie anschließend die andere Giraffe mit denselben Reglern an. Vergleichen Sie nach Bestätigen des Filters beide Tiere und korrigieren Sie gegebenenfalls nach, indem Sie den Filter mit einem Doppelklick auf den Smartfilter in der »Ebenen«-Palette erneut öffnen. 08 Hintergrund weichzeichnen Das auf dem Tisch liegende Smartphone wurde mit einer geringen Schärfentiefe aufgenommen, so dass der hintere Teil der Tischplatte bereits unscharf ist. Dementsprechend müssen Sie auch das eingefügte Hintergrundfoto mit den Fenstern weichzeichnen. Eine gut geeignete Unschärfe erzeugt der Filter »Feld-Weichzeichnung«, den Sie unter »Filter > Weichzeichnergalerie« finden. Ziehen Sie den Regler so weit nach rechts, bis die Unschärfe mit der der Tischplatte verschwimmt. 09 Schatten Da die rechte Giraffe noch auf dem Originalboden mit den ursprünglichen Schatten steht, brauchen Sie sich nur um die Schatten der linken, vorderen Giraffe zu kümmern. Hierbei gibt es noch einige unpassend helle Stellen an den Hufen (a), da im Foto die Sonne wohl etwas höher stand als bei dem Foto der hinteren Giraffe. Strukturlose Stellen füllen Sie auf einer neuen leeren Ebene mit dem Stempel auf, andere dunkeln Sie mit einer leeren Ebene im Modus »Multiplizieren« ab (b). Nutzen Sie dafür den »Pinsel« mit einer weichen Pinselspitze bei geringer Deckkraft. Nehmen Sie die Schattenfarbe mit gehaltener Alt-Taste aus einem der Schatten der hinteren Giraffe auf. Auf einer weiteren leeren Ebene unterhalb der vorderen Giraffe malen Sie auf dieselbe Weise Schlagschatten ein (c). 10 Hintergrund und Kanten aufhellen Der kontrastreiche Hintergrund hat noch etwas zu viel Gewicht im Bild. Das können Sie durch Aufhellen mit einer Einstellungsebene unterhalb der beiden „Giraffen“-Ebenen reduzieren, zum Beispiel mit »Helligkeit/Kontrast«. Nutzen Sie einen vertikalen Schwarzweiß-Verlauf in der Maske der Einstellungsebene, um die Wirkung auf den oberen Bildbereich zu beschränken. Malen Sie entlang der Giraffenkonturen mit geringer Deckkraft leichte Überstrahlungen ein, damit sich die Giraffen besser in den Hintergrund einfügen. 11 Akku-Anzeige Den Statusbalken (a) erzeugte ich in Affinity Designer basierend auf einer dort bereitgestellten Vorgabe. Die einfachen Elemente können Sie aber natürlich auch in Photoshop anlegen. Platzieren Sie die Ebene in Photoshop und konvertieren Sie sie gegebenenfalls in ein Smartobjekt. Nutzen Sie »Frei transformieren«, um das Element passend zur Perspektive des Smartphone-Displays zu skalieren und zu verzerren (b). Um das Schwarz auszublenden und nur noch die hellen Symbole zu behalten, ändern Sie die Füllmethode der Ebene in »Negativ multiplizieren« (c). 12 Ladekabel Ideal wäre es gewesen, das Smartphone und das Kabel einfach gemeinsam zu fotografieren, da so die Schatten und vor allem die Stecker-Spiegelung im Gehäuserand des Smartphones gepasst hätten. Da wir in diesem Fall Stockfotos nutzen, ist etwas mehr Aufwand gefordert. Stellen Sie Stecker und Kabel mit dem »Zeichenstift« frei und wählen Sie den detailreichen Bereich um die Bruchstelle herum großzügig aus (a). Nutzen Sie nach dem Umwandeln des Pfads in eine Ebenenmaske den »Pinsel«, um die Bruchstelle genauer zu maskieren (b). Verlängern Sie gegebenenfalls das Kabel mit dem Stempelwerkzeug und nutzen Sie das »Formgitter«, um den Verlauf des Kabels zu ändern (c). Die Schatten erzeugen Sie genauso wie in Schritt 9 beschrieben. Den Schärfeverlauf fügen Sie mit dem »Tilt/Shift«-Filter hinzu (d). 13 Finish Für die finale Abstimmung der Montage fassen Sie alle Ebenen zu einer neuen zusammen (»Strg/Cmd-Alt-Shift-E«), konvertieren diese Ebene in ein Smartobjekt und wenden den »Camera Raw-Filter« an. Das Hinzufügen einer »Körnung« (a) vereinheitlicht kleinere Details und verbessert die Kantenübergänge der einmontierten Elemente. Über die Regler im Reiter »Kalibrierung« (b) können Sie schnell verschiedene Farbeffekte erzeugen. Hier wurde vor allem die Sättigung der Rottöne reduziert.