In der Mikro-Welt

Mit einem digitalen Mikroskop können Sie in die Welt der ganz kleinen Dinge vordringen. Da die sich auf diesem Weg auch aufnehmen lassen, bietet sich ihre Verwendung in Montagen an. Doc Baumann zeigt Ihnen, worauf Sie dabei achten sollten. Was der mit der Software Set.a.light 3D konstruierte Mann hier nachdenklich in den Händen hält, ist keine genmanipulierte Gurke, sondern eine Tannennadel. Die vermeintlichen Kiesel auf dem Boden sind feiner Quarzsand, zum Teil perspektivisch verzerrt; die Felswand im Hintergrund ist eine Steinoberfläche, der scheinbare Felsblock ein 14 mm hohes Kieselsteinchen. Digitale Mikroskope mit USB-Anschluss sind inzwischen sehr preisgünstig geworden. Damit lassen sich nicht nur kleine Objekte und Strukturen stark vergrößern – die aufgenommenen Bilder eignen sich mitunter auch gut für Montagen. Allerdings ist die Suche nach passendem Equipment recht aufwendig, denn es muss Verschiedenes beachtet werden: Wie hoch ist der maximale Vergrößerungsmaßstab? Funktionieren Gerät und Software an Ihrem Rechner? (Trotz entsprechender Beschreibung lief an meinem Mac zunächst gar nichts; erst mit einem neueren Betriebssystem erkannte PhotoBooth die Mikroskop-Kamera.) Mikroskope mit Auf- und Durchlicht-Option lassen sich oft nicht per USB betreiben und sind zudem sehr teuer. Hier gibt es einen einfachen Ausweg: Die Firma Conrad bietet einen preisgünstigen Ständer mit Durchlichtbetrieb und dimmbaren LEDs an (unten). Ein weiteres Problem ist das Licht. Zwar haben die meisten dieser Mikroskope eine regelbare LED-Beleuchtung, aber die kommt eben immer genau von oben. Für Montagen ist das wenig geeignet. Nun gibt es zwar kleine LED-Strahler mit Schwanenhals; die haben aber fast alle den Nachteil, warmweißes Licht zu verwenden. Und da einfache Programme wie PhotoBooth keine Möglichkeit für einen Weißabgleich bieten, bleibt nur die nachträgliche Farbkorrektur. Als nicht ganz so komfortabel handhabbare Alternative können Sie auch mit Ihrer Kamera, einem Balgengerät mit Schlitten, einem Adapter sowie einem umgedrehten Weitwinkelobjektiv hohe Vergrößerungsmaßstäbe erzielen. Da wird es allerdings schwierig mit der Beleuchtung, für die kaum Platz ist, wenn Sie mit dem Objektiv sehr nah ans Objekt heran müssen. Zur Verwendung für Montagen ist ein Mikroskop daher meist empfehlenswerter. Mit dieser Kombination aus USB-Mikroskop Vergrößerungsmaßstab bis 300-fach und integrierter, dimmbarer LED- Beleuchtung), Mikroskop-Ständer mit regelbarer Durchlichteinrichtung sowie zwei zusätzlichen kleinen LED-Strahlern lassen sich bereits ansehnliche Ergebnisse erzielen. Fotos werden mit 6440× 4296 Pixel aufgenommen. Vergrößerungsmaßstab und Durchlicht-Option Wie stark die Vergrößerung durch das Mikroskop ausfällt, sehen Sie an diesem Vergleich: oben das alte Dia 1:1, darunter ein Ausschnitt mit einem mitfotografierten Lineal; der Abstand der schwarzen Striche beträgt einen Millimeter. Allerdings reicht selbst diese starke Vergrößerung nicht aus, um das Filmkorn gut erkennbar wiederzugeben. Auflicht und Seitenlicht Bei ausschließlicher Verwendung der in das Mikroskop eingebauten und dimmbaren LEDs wirken viele Aufnahmen flach wie der feine Quarzsand im oberen Foto. Die Bilder erscheinen interessanter und plastischer, wenn das Licht von der Seite kommt – hier an einer Papieroberfläche demonstriert. Viele kleine LED-Leuchten sind zwar dimmbar und Sie können die Lichtfarbe von warm- bis kaltweiß einstellen, die Gesamthelligkeit nimmt dadurch aber ab, weil nicht einzelne LEDs beeinflusst werden, sondern warmweiße und kaltweiße unterschiedlich hell leuchten. Die Lichtstärke lässt sich aber auch durch die Entfernung zum Objekt variieren oder dadurch, dass Sie weißes Papier vor die Leuchte halten. Das Programm erleichtert solche Eingriffe, weil Bilder nicht direkt auf Knopfdruck aufgenommen werden, sondern wie bei einem Selbstauslöser erst nach 3 Sekunden. Probleme der Durchlicht-Option Bei ihrer Verwendung mit dem oben gezeigten Ständer werden leider die unter der Bühne angebrachten LEDs oft als deutlich sichtbare Kreise wiedergegeben. Mattfolie hilft auch nicht, weil sie bei diesem Maßstab selbst eine zu ausgeprägte Struktur hat. Das Bild zeigt das „Fenster“ eines Euro-Scheins. Reflexionen bei Auflicht Beide Bilder zeigen dieselbe Vorlage. Den Kontrollstreifen eines Andrucks mit Farbmischungen durch ein frequenzmoduliertes Druckraster. Das linke Bild gibt wegen des Auflichts vor allem die Papieroberfläche wieder, das feine Punktraster ist nur rechts bei seitlicher Beleuchtung zu erkennen. Tiefenerstreckung Ein Nachteil bei der Verwendung sehr starker Vergrößerungen – bei Mikroskopen wie bei Kameras – ist die enge Schärfentiefe. Die beiden Bilder links zeigen die Oberfläche eines kleinen Steins; oben mit Auflicht, unten dieselbe Stelle mit Seitenlicht. Beide Beleuchtungsarten lassen sich übrigens auch ohne weiteres kombinieren und machen das Aufnehmen so noch vielseitiger. Aber egal, wie Sie Ihre Objekte ausleuchten – es bleibt das Problem der Unschärfe. Das lässt sich ein wenig abmildern, indem Sie das Mikroskop weiter vom Aufnahmeobjekt entfernen. So dehnt sich zwar die Schärfentiefe aus, aber natürlich wird auch die Vergrößerung geringer. Eine Lösung zeigt das unten auf dieser Seite vorgestellte Verfahren des Focus Stacking. Dieses für die Montage des Aufmacherbildes verwendete Objekt ist weder eine genmanipulierte Gurke noch ein Riesenkaktus, sondern nur eine schlichte Tannennadel. Auch sie wurde von beiden Seiten sowie mit schwachem Oberlicht aufgenommen. Sie ist gerade noch so dünn, dass die Schärfentiefe ausreicht, um sie in allen Bereichen scharf wiederzugeben, ohne das Focus-Stacking bemühen zu müssen. Focus Stacking Dieser Kieselstein ist zu dick für eine scharfe Aufnahme. Fotografieren Sie eine Serie unterschiedlicher Schärfenzonen (oben). Laden Sie die Fotos dann als Ebenen in eine Datei und richten Sie sie aus (»Bearbeiten > Ebenen automatisch ausrichten«). Per »Ebenen automatisch überblenden > Ebenen stapeln« kombiniert Photoshop im Ebenenstapel die schärfsten Zonen durch Maskieren (links). Farbstich entfernen Warmweißen LEDs erzeugen einen rötlichen Farbstich (a). Duplizieren Sie die Ebene und wenden Sie den Weichzeichnungsfilter »Durchschnitt« an (b). Invertieren Sie die Farben (c). Setzen Sie die Ebene auf »Farbe« bei 50 % Deckkraft (d). Makroaufnahmen mit der Spiegelreflexkamera Eine Alternative zur Verwendung eines digitalen Mikroskops ist der Einsatz einer Kamera mit entsprechendem Zubehör. Gerade wenn man solche Aufnahmen nur sehr selten benötigt, reicht das oft aus. Die Anschaffung ist billiger, und Sie können die volle Auflösung Ihrer Kamera nutzen. Sie benötigen dazu: ein Weitwinkelobjektiv (eine Zoom-Variante ist besonders hilfreich), einen Adapter mit angepasstem Innen- und Außengewinde und ein für die Kamera geeignetes Balgengerät (die gibt es bereits für 30 Euro). Empfehlenswert ist zudem ein Fernauslöser, um Verwackeln beim Auslösen zu vermeiden. Der Trick dabei ist, das Weitwinkelobjektiv umgedreht am Balgengerät zu befestigen. Mit großem Auszug durch den Faltenbalg und kurzer Brennweite für die minimale Gegenstandweite kommen Sie so zu sehr hohen Vergrößerungen. Unten links sehen Sie eine solche Makroaufnahme eines gedruckten Wortes; die Breite von „Red“ beträgt knapp 3 mm oder hier 2700 Pixel. Rechts daneben derselbe Ausschnitt unter dem Mikroskop. Je höher allerdings der Vergrößerungsfaktor wird, um so näher müssen Sie an das Objekt heran, und das bereitet Probleme mit der Beleuchtung. Außerdem ist exaktes Scharfstellen nicht ganz einfach, aber das ist beim Mikroskop auch nicht viel besser. Es ist daher sinnvoll, immer mehrere Aufnahmen mit leicht unterschiedlichen Einstellungen zu fotografieren. Text mit einer Breite von 3 mm – links mit Kamera und der oben beschriebenen Erweiterung fotografiert, rechts mit dem Mikroskop. Praxiseinsatz – Der Schleier von Manoppello Im Jahr 2009 lernte ich in Rom einen Autor kennen, der ein Buch über das Jesus-Porträt von Manoppello und das Grabtuch von Turin schreiben wollte; er kannte sich in diesem Bereich gut aus und hatte bereits mehrere Titel über Reliquien veröffentlicht. Das Ergebnis des Gesprächs war, dass wir dieses Buch gemeinsam verfassen wollten – er aus christlicher Sicht, ich aus atheistischer. Das klappte letztlich nicht, unsere Sichtweisen unterschieden sich doch zu stark. Für mich war klar, dass es sich um eine mittelalterliche Malerei handelt – er ging davon aus, die Reliquie sei das originale, zuvor im Vatikan aufbewahrte Schweißtuch der Veronika. Immerhin hielt ich mich so mit ihm eine Woche in Manoppello auf – einem kleinen Gebirgsdorf in den Abruzzen an der italienischen Ostküste – und machte Hunderte von Aufnahmen des Tuches. Die Reliquie wird dort seit dem 17. Jahrhundert in der Kapuzinerkirche „Santuario del Volto Santo“ aufbewahrt, aber erst seit einem halben Jahrhundert prominent über dem Altar der Kirche gezeigt. Gläubigen gilt dieses „Volto Santo“ als echte, 2 000 Jahre alte Kontaktreliquie Jesu. Obwohl ich es für bemalt hielt und halte, gibt es eine Merkwürdigkeit, die auch ich nicht erklären kann: Der 17,5 × 24 cm große Schleier ist fast durchsichtig, weil das Gewebe aus Muschelseide besteht, einem sehr seltenen und kostbaren, aus Muschelfäden hergestelltem Material. Und Muschelseide hat die Eigenschaft, sich eigentlich nicht färben oder bemalen zu lassen. Falls es nun doch bemalt wurde, müssten kleine Farbpigmente an den Fäden haften. Unter ein Mikroskop durfte ich das Tuch natürlich nicht legen, aber mit dem oben beschriebenen Equipment hoffte ich auf einen ausreichenden Vergrößerungsfaktor, um Details erkennen zu können. Dazu musste das Tuch allerdings aus seinem Reliquiar entnommen werden, und das tun die Mönche sonst nicht einmal für Kardinäle, nur für den Papst. Dass sie sich schließlich dazu bereit fanden, lag eher an den guten Kontakten meines Begleiters – das mit dem Photoshop-Papst hatte sich sicherlich noch nicht bis Manoppello herumgesprochen … Leider reichte der Vergrößerungsmaßstab letztlich doch nicht aus, um Pigmente (oder deren Abwesenheit) sehen zu können. Erschwerend kam hinzu, dass die Schärfentiefe so gering war, dass kaum eines der Fotos optimal scharf wurde. So bleibt das Geheimnis einer der wichtigsten christlichen Reliquien ungelöst. Das „Volto Santo“ von Manoppello, eine der wichtigsten christlichen Reliquien, oben in seinem mit Panzerglas gesicherten Reliquiar, rechts die Makroaufnahme eines Auges auf dem Muschelseidengewebe Montage mit Makrofotos Im Prinzip gibt es natürlich keinen Unterschied zwischen einer üblichen Montage und einer, bei der Sie stark vergrößerte Elemente in eine Szene einbauen. Die Regeln bezüglich Perspektive, Beleuchtung oder Plausibilität gelten in jedem Fall. Dennoch möchte ich kurz auf ein paar Besonderheiten eingehen. Ein Hauptproblem ist die geringe Schärfentiefe. Wie sich das beheben lässt, habe ich bereits erklärt. Hier betrifft das vor allem den Steinblock, ein stark vergrößertes Kieselchen. Auch Teile der Steinoberfläche im Hintergrund sind wegen der Tiefenerstreckung unscharf; hier fand ich es aber angemessen, das beizubehalten, weil so eine gewisse Tiefe in die Szene kommt. Ganz anders ist es bei dem feinen Quarzsand, der hier wie eine mit Kieselsteinen bedeckte Fläche wirkt. Es wäre theoretisch zwar durchaus möglich, auch hier per „Focus Stacking“ alle Zonen scharf abzubilden – dazu benötigte man allerdings so viele Aufnahmen, dass das keine praktikable Lösung ist. Ich habe hier zwei Methoden kombiniert: Als erstes wurde die Ebene dupliziert und perspektivisch verzerrt. Tut man das jedoch zu ausgeprägt, sehen die plastischen Steine (oder beliebige andere dreidimensionale Objekte) hinterher nicht (nur) aus wie zunehmend entfernt, sondern sie wirken flach wie ein auf den Boden gedrucktes Muster. Daher kam ein zweites Verfahren hinzu: Aus der unteren, unverzerrten Ebene habe ich verschiedene waagerechte Streifen dupliziert und skaliert, die nun hintereinander liegen. Größere Steinchen befinden sich so visuell im Vordergrund, kleinere weiter hinten. Selbstverständlich können Sie nicht einfach scharf – oder unscharf – begrenzte Auswahlen verwenden, die dann eine deutlich erkennbare harte – oder weiche – Kante aufweisen würden. Die oberen Kanten jeder dieser Ebenenstaffelungen müssen in einem weiteren Schritt per Ebenenmaske und Pinsel detailliert retuschiert werden, so dass diese Begrenzung nicht glatt verläuft, sondern den Steinkonturen folgt. Ebenfalls per Ebenenmaske sind die Bereiche nachzubearbeiten, an denen der Steinklotz und die Tannennadel auf der Bodenfläche stehen. Die Entfernung des Farbstichs aufgrund der warmweißen LED-Strahler wurde schon erläutert. Die Figur und ihr Schlagschatten lässt sich bereits in Set-a-light 3D beim Rendern freistellen. Bei der Tannennadel mussten per Ebenenmaske die Finger sichtbar gemacht werden, damit sie glaubhaft gehalten wird, zudem wirft sie einen Schatten. Kopf und Arme der Figur zeigen eine weitere Anwendung von Mikroskopaufnahmen, nämlich die Nutzung von Strukturen zur Überlagerung. In diesem Fall wurde die oben abgebildete Papierstruktur verwendet. Dies dürfte ohnehin die sinnvollste Verwendung von Mikrostrukturen sein. Zum Schluss kamen oben im Ebenenstapel noch ein paar angleichende Ebenen hinzu, vor allem eine vom Typ »Farbfilter“, welche die Szene einheitlich violett tönt.