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Pentax 17: Zurück zum Film

Nachdem sie Ricoh über Monate mit immer neuen Teasern angekündigt hatte, ist die Pentax 17 nun im Handel erhältlich – eine neuentwickelte analoge Kompaktkamera, die Kleinbildfilm im Halbformat belichtet. So manches an dieser Kamera wirkt zunächst kurios, macht aber durchaus Sinn.

Pentax 17: Zurück zum Film
Die neue Pentax 17, eine analoge Halbformatkamera von Ricoh (Foto: Ricoh)

Eines sei vorausgeschickt: Es gibt heutzutage keinen rationalen Grund mehr, sich noch eine analoge Kamera zu kaufen. Digitalkameras für das gleiche Geld produzieren eine höhere Bildqualität, sind bequemer und flexibler zu nutzen und ziehen geringere laufende Kosten nach sich – der Kauf und die Entwicklung von Filmmaterial geht ins Geld. Aber muss es immer um Rationalität gehen? Nachdem das also geklärt wäre …

Was bekommt man nun mit der Pentax 17, die rund 550 Euro kosten soll? Es handelt sich um eine Kleinbildkamera, insofern man damit Kleinbildfilm belichtet. Ihr Bildformat ist aber nicht das Kleinbild, also 36 × 24 mm, sondern das Halbformat 17 × 24 mm. „Halbformat“ sagt heute vielen nichts mehr, schon gar nicht der jüngeren Generation, die Ricoh offenbar gezielt ansprechen will. Halbformat ist daher erklärungsbedürftig.

Pentax 17: Zurück zum Film
Der Kleinbildfilm wird ganz oldschool mit einem Schnellspannhebel (rechts) zum nächsten Bild weitertransportiert; ist das Ende erreicht – auf Wunsch auch schon vorher – spult man den Film mit der ausklappbaren Kurbel (links) wieder in die Filmpatrone zurück. (Foto: Ricoh)

Der klassische Kleinbildfilm (oder 35-mm-Film, wie man im englischen Sprachraum sagt) ist ja eigentlich ein Kinofilm, der später für die Fotografie zweckentfremdet wurde. In Filmkameras wurde dieser Film vertikal transportiert, so dass die Breite des Films – abzüglich der Perforationslöcher bleiben von 35 noch etwa 24 mm – die Bildbreite bestimmte. Ursprünglich nahm man im Format 22 × 16 mm auf, später in Varianten wie Super 35, die etwas mehr als 24 mm nutzten. Für fotografische Zwecke waren diese Bildformate allerdings zu klein, und als Oskar Barnack die Leica entwickelte, entschied er sich deshalb dafür, den Film horizontal zu transportieren. Damit war nur noch die Bildhöhe auf 24 mm beschränkt; die Breite war prinzipiell beliebig und Barnack entschied sich für 36 mm.

Erst Jahrzehnte später – inzwischen gab es feinkörnigere Filmemulsionen – kam man wieder auf das kleinere Format des Kinofilms zurück, das im Zusammenhang mit der Fotografie nun als „Halbformat“ bezeichnet wurde. Olympus zum Beispiel brachte 1959 die Halbformatkamera Pen heraus, die in verschiedenen Varianten bis in die 1980er Jahre auf dem Markt war (später wurden der Name und der Formfaktor für MFT-Kameras wiederbelebt). Da der Film wie bei Kleinbildkameras horizontal transportiert wurde, bedeutete „Halbformat“ ein Hochformat; für Querformate musste man die Kamera drehen.

Diese Anzeige für die Olympus Pen EE (1961) sollte moderne junge Frauen für die Fotografie gewinnen. (Foto: Olympus)

Die Yashica Samurai von 1987 war eine Halbformat-Spiegelreflexkamera mit fest verbautem Zoom, die wie eine Filmkamera gestaltet war, und wie bei diesen wurde der Film darin vertikal transportiert, was Aufnahmen im populäreren Querformat möglich machte. Der Samurai war damals kein großer Erfolg beschieden, aber sie gilt als Vorbild für die digitalen Bridgekameras der Nullerjahre unseres Jahrhunderts.

Mehr als ein Vierteljahrhundert später hat die Smartphone-Fotografie die Formatvorlieben erneut verändert. Wir Älteren mögen darüber den Kopf schütteln, aber das Hochformat dominiert heute und wird selbst für Videoaufnahmen verwendet, obwohl ja das Gesichtsfeld unserer Augen eher ein Querformat ist und das auch für Bildschirme und Kinoleinwände gilt. Dies war einer der Gründe, weshalb sich Ricoh für ihr Projekt einer Wiederbelebung der analogen Fotografie zwar für den klassischen Kleinbildfilm, jedoch für ein Hochkant-Halbformat entschieden hat. Aber auch praktische Erwägungen sprachen dafür: Digitalfotografen sind es gewohnt, nicht auf den Bildzähler achten zu müssen, aber Kleinbildpatronen fassen nur Film für bis zu 36 Kleinbilder, was allzu einschränkend erschien. Mit dem Halbformat verdoppelt sich die Kapazität auf akzeptablere 72 Aufnahmen pro Film, und gleichzeitig halbieren sich die Kosten für das Filmmaterial und dessen Entwicklung.

Pentax 17: Zurück zum Film
Der Filmtransport entspricht dem in einer Kleinbildkamera ; nur das kleinere Filmfenster im Hochformat fällt auf. (Foto: Ricoh)

Aber natürlich kann man mit der Pentax 17 auch Querformate aufnehmen; dazu hält man die Kamera einfach hochkant – klingt komisch, ist aber so.

Wenn schon Retro, dann auch richtig, mag man sich bei Ricoh gedacht haben, und hat von der mechanischen Konstruktion her auf die Pentax-SLRs der 70er und dem Anfang der 80er Jahre zurückgegriffen. Für den Filmtransport mit einem der Pocket-SLR Pentax Auto 110 nachempfundenen Schnellspannhebel ist Muskelkraft nötig, und zum Rücktransport des Films in die Patrone muss man kurbeln. Dank des Verzichts auf einen Motor genügt eine kleine Einwegbatterie zur Stromversorgung. Eine DX-Kodierung der Filmpatronen wird ignoriert; die Filmempfindlichkeit stellt man mit einem ISO-Rad ein. Dabei steht es einem auch frei, beispielsweise ISO-400-Filme entsprechend ISO 200 zu belichten, wie man es früher zugunsten von Farbsättigung und Feinkörnigkeit gerne getan hat.

Pentax 17: Zurück zum Film
Für die Stromversorgung der Kameraelektronik sorgt eine Lithium-Einwegbatterie im Griff. (Foto: Ricoh)

Der optische Sucher liegt wie bei einer SLR über der optischen Achse und sieht von hinten tatsächlich ein wenig wie ein Spiegelreflexsucher aus, ist aber natürlich keiner. Wie von analogen Kompaktkameras vertraut, handelt es sich um einen Leuchtrahmensucher. Dessen Parallaxe ist aufgrund der mittigen Positionierung gering, aber im Nahbereich muss man dennoch auf die Parallaxmarkierung achten, wenn man nicht über sein Motiv hinweg fotografieren will.

Zur mittenbetonten Belichtungsmessung dient eine Messzelle direkt über der Frontlinse; neumodische Kinkerlitzchen wie eine Mehrfeldmessung gibt es selbstverständlich nicht – wie denn auch, ohne Spiegelreflexsucher oder Bildsensor. Die Belichtungssteuerung erfolgt strikt automatisch, ist aber um ±2 EV korrigierbar. Ein statt P wählbares Bokeh-Programm versucht nach Möglichkeit, mit offener Blende zu fotografieren, und hier können die auf 1/350 bis 4 Sekunden (und Bulb) beschränkten Verschlusszeiten ein Hindernis sein; kürzere Zeiten bis 1/1000 Sekunde wären wünschenswert gewesen.

Die Rechnung des dreilinsigen 25-Millimeter-Objektivs mit Lichtstärke f/3,5 ist der einer Pentax Espio Mini aus den 90er Jahren entlehnt, aber an die Erfordernisse des Halbformats angepasst. Umgerechnet auf das Kleinbildformat entspricht die Brennweite 37 mm; es ist also ein leichtes Weitwinkel wie es bei Kameras dieser Art auch früher üblich war.

Damit kommen wir zur vermutlich umstrittensten Eigenheit der Kamera, nämlich ihrer Art der Scharfeinstellung. Ricohs Entscheidung für eine Zonenfokussierung mit sechs Zonen für 25 und 50 Zentimeter, 1,2, 1,7 und 3 Meter sowie ∞ wurde kontrovers aufgenommen, aber was wäre ernsthaft die Alternative gewesen? Eine feinere manuelle Fokussierung hätte eine Entfernungsmessung erfordert, aber als Messsucherkamera wäre die Pentax 17 sehr viel teurer geworden. Ein Autofokus mit Phasendetektion oder auf Basis eines Kontrastvergleichs scheiterte am fehlenden Spiegelreflexsucher beziehungsweise Bildsensor. Damit bliebe nur noch ein Infrarot-AF, wie ihn früher viele Kompaktkameras hatten, oder vielleicht noch eine Ultraschall-Entfernungsmessung wie einst bei Polaroid. Nachdem Fotografen heutzutage von AF-Systemen mit Motiverkennung und Hunderten von Messfeldern verwöhnt sind, würde ein solches Verfahren allerdings mit gelegentlichen Fehlfokussierungen enttäuschen, die man ja erst nach der Filmentwicklung und damit zu spät bemerkt. Für die Wahl der Passendsten von sechs Zonen (die Einstellung wird im Sucher eingeblendet) braucht man keinen Entfernungsmesser und die theoretischen Vorteile einer feineren Fokussierung dürften in der Schärfentiefe untergehen. Ich halte die Zonenfokussierung daher für durchaus praxistauglich.

Pentax 17: Zurück zum Film
Retro oder nicht: Die Fernauslösung funktioniert elektronisch, genauso wie bei den aktuellen digitalen Pentax-Modellen. (Foto: Ricoh)

Natürlich könnten die Älteren unter uns auch einfach die alte SLR aus dem Keller oder vom Dachboden holen; die Jüngeren könnten sich für eine Handvoll Euro eine alte Kleinbildkamera auf dem Flohmarkt kaufen. Aber wer weiß, ob die dann überhaupt noch lichtdicht ist und ob der Verschluss noch präzise abläuft. Mit der neuen Pentax 17 kann man eine Menge Spaß haben – und die Spannung neu entdecken, ob die Bilder auch „etwas geworden sind“, wie man früher sagte. Das stellt sich ja erst heraus, wenn der belichtete Film entwickelt und die Bilder gescannt sind.


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Michael J. Hußmann

Michael J. Hußmann gilt als führender Experte für die Technik von Kameras und Objektiven im deutschsprachigen Raum. Er hat Informatik und Linguistik studiert und für einige Jahre als Wissenschaftler im Bereich der Künstlichen Intelligenz gearbeitet.

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3 Kommentare

  1. Nun ist es raus und die neue “ Pentax 17″ ist zu kaufen, für mich zwar eher nicht, gefallen könnte sie mir schon , aber nur mit digitalem Innenleben, kann ja auch ein APS-C oder MFT Sensor sein, aber so habe ich keine Lust darauf. Hoffentlich hat sich hier Pentax? oder wer auch immer! nicht von den Verkaufschancen täuschen lassen. Denn die Pentax MX1 war nicht so schlecht.

    1. Dass es eine Analogkamera sein sollte, war hier ja der Ausgangspunkt der Kameraentwicklung; alles andere ergab sich daraus. Ich könnte mir aber auch eine Ricoh GR in diesem Stil vorstellen.

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