Adobe: „Skip the photoshoot“
Der Photoshop-Hersteller sorgt für einen weiteren Aufreger
Ob es wohl am Wetter liegt? Schon wieder provoziert ein Hersteller, und die Kreativen nehmen es (mit Anlauf) übel. Diesmal steht Adobe am Pranger von Fotografen.
Die künstlich aufgeregte Debatte um Apples (meiner Meinung nach gründlich misslungenen) iPad-Werbespot klingt gerade ab, aber Adobe muss sich weiterhin der Kritik von Fotografen stellen. Erst machte Petapixel mit „Adobe Throws Photographers Under the Bus Again“ auf, dann schrieb die American Society of Media Photographers (ASMP) einen öffentlichen Brief an Adobe, um sich im Namen von Fotografen zu beschweren.
Worum geht es überhaupt? Adobe hatte für seine durch die hauseigene Firefly-KI unterstützte Funktion geworben, den Hintergrund eines Fotos zu entfernen und durch eine KI-generierte Alternative zu ersetzen – ohne dass man dazu einen neuen Hintergrund fotografieren müsste. Oder „Skip the photoshoot“, auf Englisch gesagt. Inzwischen ist der Text entschärft und die inkriminierte Formulierung einkassiert worden.
Aber wie immer man es formuliert: Natürlich führt die Möglichkeit, sich Bilder auf Zuruf von einer KI generieren zu lassen, in der Tendenz dazu, dass man weniger selbst fotografiert, weniger Stockfotos lizensiert oder Fotografen weniger mehr oder minder gut honorierte Aufträge erteilt. Heißt das also, dass Adobe die Fotografen, wie ihnen Petapixel und die ASMP-Vorsitzende Gabriella Marks vorwerfen, als ihre treuesten Kunden verraten haben?
Wobei ich mir nicht sicher bin, ob Fotografen tatsächlich die treuesten und wichtigsten Kunden Adobes sind. Unter den Adobe-Produkten richtet sich ja nur die Lightroom-Familie direkt an Fotografen. Photoshop wurde und wird auch von Fotografen genutzt, überwiegend aber von Grafikern, und umgekehrt arbeitet längst nicht jeder Fotograf auch mit Photoshop. Die Anwendungen aus den Bereichen Video und Audio, zum Layout, Webdesign, 3D-Modeling etc. haben ohnehin andere Zielgruppen. Gerade die beanstandete Werbung für das generative Ersetzen könnte allerdings Fotografen ansprechen, denn sie geht von einem Foto aus, das dann – mutmaßlich auf Kundenwunsch – geändert und erweitert wird. Wer jemals mit Kunden gehadert hat, die nach einem aufwendig inszenierten Fotoshoot mit Extrawünschen kamen, könnte sich hier durchaus abgeholt fühlen.
Keine Frage: Die KI wird manche fotografischen Tätigkeiten und teilweise auch Arbeitsplätze überflüssig machen. Wem für sein Bild – wie in Adobes Beispiel – bloß noch generische Apfelsinen und Orchideenblüten fehlen, wird deshalb nicht mehr auf eine Einkaufstour beim Blumen- und Obsthandel gehen, um die benötigten Motive selbst zu fotografieren. Nicht einmal die Suche nach geeigneten Stockfotos ist noch nötig, womit sich Adobe wiederum ins eigene Fleisch schneidet – aber die vermeintliche Alternative, die Möglichkeiten der generativen KI zu ignorieren, wäre für das Unternehmen desaströs.
Für den Verlust von Arbeitsplätzen durch neue Techniken gibt es in der Geschichte viele Beispiele. Bis hinein in das 20. Jahrhundert galt noch: Wer Musik hören wollte, musste Musiker und Sänger engagieren – oder selbst musizieren und singen. Nach einer kurzen Blütezeit des selbstspielenden Pianolas machten die Schallplatte und die Musicbox Tausende Pianisten und andere Musiker arbeitslos, die in Bars und Tanzcafés für Livemusik gesorgt hatten.
Der Siegeszug des Tonfilms führte dazu, dass Kinos keine Orchester zur musikalischen Untermalung der Filme mehr beschäftigen mussten, und die wachsende Verbreitung des Fernsehens war für den Niedergang der Varietétheater verantwortlich. In den Vergnügungsvierteln der Städte hielten sich nur noch Striptease- und sonstige Sexshows – also die Sparte der Unterhaltungsindustrie, die keinen Zugang zu den Fernsehprogrammen fand.
Andererseits werden kreative Fotografen auch künftig gebraucht werden, schon weil die generative KI selten genau das liefert, das man sich vorgestellt hatte. Ich bin versucht zu sagen, dass Fotografen auch für Bilder mit realistischen Proportionen, Perspektiven und Schattenwürfen unverzichtbar sind, aber wie langjährige DOCMA-Leser aufgrund von Doc Baumanns Artikeln über Fehlleistungen der Bildbearbeitung wissen, ist gerade die werbetreibende Industrie als wichtiger Auftraggeber erstaunlich schmerzfrei, was solche Mängel betrifft.
Fotografen werden nicht umhin kommen, den vermeintlichen Gegner generative KI künftig als Teil ihres Instrumentariums zu akzeptieren, und ihn selbst zur Ergänzung ihrer spezifisch fotografischen Talente und Kenntnisse einzusetzen. So erreichte mich kürzlich eine Pressemeldung der Fachhochschule des Mittelstands (FHM) in Bielefeld, die einen dualen Studiengang Foto & Film anbietet. Die Studenten und Studentinnen werden darin nicht nur in die Grundlagen von Fotografie, Film und Bildbearbeitung sowie Betriebswirtschaft, Marketing und Vertrieb eingeführt, sondern auch in KI-Verfahren und deren Anwendung. „Auf dem Markt benötigen wir heute visuelle Expertinnen und Experten, die nicht nur wissen, wie man auf den Auslöser drückt oder wie ein spannender Film entsteht, sondern auch Produzierende, die … mit KI-Tools sinnvoll umgehen lernen“, erklärt Professor (und Fotograf) Stefan Finger.
Auch wenn die Probleme von Fotografen mit der generativen KI real und eine ernstzunehmende Bedrohung ihrer Geschäftsmodelle sind, würden verzweifelte Abwehrkämpfe gegen die KI unweigerlich scheitern. Es bleibt nur, die Bestie zu zähmen und zu domestizieren.
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