Bevor der Frontring zur Marketingspielwiese wurde, nannte er schlicht Namen, Brennweite, Lichtstärke und Seriennummer. Darüber ließen sich im besten Fall Baujahr und technische Daten des Objektivs in Erfahrung bringen. So funktioniert es bei Nikon bis heute, auch wenn die Seriennummer inzwischen seitlich eingeprägt ist. Bei Zeiss-Objektiven aus Jena finden sich bisweilen zwei übereinander montierte Frontringe. Auch sonst gibt es einige Kuriositäten.
Vordergründig für das Zeiss-Jena-Phänomen ist der 1971 verlorene Rechtsstreit um die Nutzung des Namens „Carl Zeiss Jena“ und bestimmte Objektivbezeichnungen. Sie waren nur noch für wenige, akribisch definierte Teile der Welt zulässig und mussten durch kryptische Abkürzungen ersetzt werden: „T 2.8/50 aus Jena“ definierte das Tessar. Dass es bei dem juristischen Scharmützel primär um das beträchtliche Vermögen der Zeiss-Stiftung ging, ist eine andere Geschichte. Heute sind die eigentümlichen Typbezeichnungen ein relativ deutlicher Hinweis auf das Baujahr. Falls nicht ein neuer Frontring über den alten geschraubt wurde. Wo immer das möglich war, sparte es zumindest Arbeitszeit für den Wechsel. Auch sonst scheint der Umgang mit Seriennummern sehr freizügig gewesen zu sein. Weitere Eindrücke gibt es hier.
Dass Seriennummern auch in die Irre führen, ist nicht nur bei DDR-Objektiven festzustellen. Wenn für die Produktion bestimmter Typen und Serien Nummernkreise vergeben, aber nicht gebaut wurden, fand das Zahlenwerk anderweitig Verwendung oder blieb ungenutzt. Solche Fälle sind in den Nachschlagewerken von Hartmut Thiele unter anderem auch für in Japan produzierte Objektive zur Contax RTS dokumentiert. Ausschuss in der Produktion bei Schacht in Ulm sorgte ebenfalls für Unregelmäßigkeiten, berichtet Peter Geisler in seinem Buch. Er liefert ebenso mögliche Erklärungen für kuriose Objektive, die es offiziell nicht gab. Hier wurde im Blog über Schacht-Objektive aus Ulm berichtet.
Bei Minolta und Olympus bleiben Seriennummern relativ nutzlos, da keine öffentlich zugänglichen Listen vorliegen. Vereinzelt finden sich zusammengetragene Informationen, die darauf hindeuten, was sich ab einer bestimmten Seriennummer geändert hat. Frontring-Marketing stand bei Minolta hoch im Kurs und erreichte Ratespiel-Niveau. Buchstaben kodierten den optischen Aufbau nach Gruppen und Linsen. Der Zusatz X hingegen steht nicht für die römische Zehn, sondern kennzeichnete Objektive für den nordamerikanischen Markt. Während Olympus die Objektive vergleichsweise kontinuierlich beschriftete, gab es zur Bezeichnung Zuiko verschiedene Interpretationen. In seinem 1975 erschienenen Buch „Die Welt des OM-Systems“ setzte Autor Franz Pangerl eine deutsche Auslegung in die Welt: „Zweckmäßig und intelligent konstruiertes Objektiv“. Anfang der 1980er Jahre gesellte sich zum Zuiko ein Buchstabe, der die Anzahl der Linsen im Objektiv verkündete. Ein E als 5. Buchstabe im Alphabet stand für fünf, G für sieben Linsen. Zu Nikon Objektiven sind ausführliche Informationen verfügbar. Die Photosynthesis-Webseiten gelten als eine der umfangreichsten Quellen, nur Daten zu Streulichtblenden fehlen. Heute spielt der Frontring als Marketingspielwiese bei einigen Herstellern keine Rolle mehr. Bezeichnungen wie Sigma AF 70-200mm f/2.8 EX DG HSM APO macro oder Tamron AF 18-250mm f/3.5-6.3 Di II LD Aspherical [IF] hätten dort ohnehin keinen Platz gehabt.
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