Der neuerfundene Klassiker

70 bis 200 mm ist der vermutlich beliebteste Telezoombereich für Vollformatkameras und in Sigmas Portfolio schon lange mit einer Lichtstärke von f/2,8 vertreten. Jetzt ist eine völlig neu gerechnete Version für spiegellose Kameras verfügbar und Michael J. Hußmann zeigt auf, was die Neuentwicklung leistet. Als die Systemkameras vor Jahren den bis dahin üblichen Rückschwingspiegel verloren, wurden sie schlanker: Das Bajonett rückte näher an den Sensor heran, auf 20 mm oder weniger. Die vorhandenen Objektive mussten aber immer noch denselben Abstand zum Sensor einhalten, und die so entstandene Lücke von zwei bis drei Zentimetern überbrückte ein Adapter. Oder man baute Objektivvarianten mit einem längeren Tubus, damit sie sich unmittelbar an spiegellose Kameras anschließen ließen. Im selben Maße, in dem die Kameras schlanker wurden, wuchsen die Objektive, und am Ende änderte sich an den Abmessungen des Gesamtsystems nichts. Damit die Dividende der spiegellosen Kamerabauform ausgeschüttet werden konnte, mussten neu gerechnete Objektive her. Daher haben die Objektivhersteller die beliebtesten Brennweiten und Zoombereiche für die neuen Systeme neu interpretiert, um aus der hinzugewonnenen Flexibilität den größten Nutzen zu ziehen. So wie es Sigma jetzt mit dem 70–200 mm F2.8 DG DN OS | Sports für rund 1700 Euro getan hat. Ein solches lichtstarkes Zoom, das den Bereich oberhalb der Normalbrennweite bis zu einer vierfachen Vergrößerung abdeckt, ist vielfältig einsetzbar, von der Porträt- und Hochzeitsfotografie über Landschaftsaufnahmen bis zu Bildern von Tieren, denen man relativ nahe kommen kann. Dabei ist es noch kompakt genug, um sich einen festen Platz in der Fototasche zu sichern. Dank Innenzoom und Innenfokussierung bleibt die Länge des Sigma 70–200mm F2,8 DG DN OS | Sports bei konstanten 205 mm. Foto: Sigma Verglichen mit dem älteren Sigma 70–200 mm F2.8 DG OS HSM | Sports ist das neue Zoom kaum länger, und zusammen mit Kameras der L-Mount-Alliance oder Sony-Modellen mit E-Mount bleibt die Kamera-Objektiv-Kombination deutlich kürzer. Der Durchmesser des Tubus ist um 3,6 mm geschrumpft und das Filtergewinde misst nur noch 77 statt 82 mm. Den größten Unterschied bemerkt man, wenn man das neue Zoom in die Hand nimmt: Mit 1335 Gramm (für E-Mount) ist es knapp ein Pfund (470 Gramm) leichter. Innen zeigt sich das Objektiv deutlich aufgeräumter: Statt 24 Elementen in 22 Gruppen genügen nun 20 Elemente in 15 Gruppen für eine verbesserte optische Leistung. Sowohl für die Vereinfachung des Aufbaus als auch für die höhere Abbildungsleistung dürften vor allem drei Asphären verantwortlich sein, die die Aufgaben einer größeren Zahl sphärischer Linsen erfüllen. Schon die MTF-Kurven weisen auf eine hohe Kontrastübertragung bis in den Randbereich hin, die sich in den Aufnahmen als knackige Schärfe bestätigt. Diese geht jedoch nicht auf Kosten des Bokehs, wie man es von Objektiven mit überkorrigierter sphärischer Aberration kennt; vielmehr verschwimmt der Hintergrund in einer weichen Unschärfe. Die 11 Blendenlamellen sind so gerundet, dass die Unschärfekreise auch dann keine vieleckige Form annehmen, wenn man leicht abblendet. Das wäre ohnehin nur für eine Vergrößerung der Schärfenzone und nicht zur Verbesserung der Abbildungsleistung notwendig. Das weiche Bokeh sorgt für einen ruhigen Hintergrund; auch auf f/4 abgeblendet sind die Unschärfekreise rund. Foto: Harald Bauer Die kontrastreiche Detailwiedergabe in der Schärfenzone wird nicht mit Nachteilen beim Bokeh erkauft. Foto: Harald Bauer Zur Innenfokussierung dienen HLA-Linearmotoren, die zwei Linsengruppen unabhängig voneinander bewegen. Die mit dem Sigma 60–600 mm F4.5–6.3 DG DN OS | Sports eingeführten Tauchspulenmotoren arbeiten schnell, präzise und nahezu lautlos. Das sind ideale Voraussetzungen für eine kontinuierliche Schärfennachführung, sei es für Einzel- und Serienbilder oder für Videoaufnahmen, bei denen dann auch keine Fokussiergeräusche stören. Den Filmern kommen auch die abschaltbare Rastung des Blendenrings und das minimale Focus-Breathing entgegen: Bei einer Schärfenverlagerung zwischen zwei Motiven ändert sich der Bildwinkel nicht merklich. Falls man einmal den Nahbereich ausklammern möchte – die Naheinstellgrenze liegt zwischen 65 (bei 70 mm) und 100 Zentimetern (bei 200 mm) –, kann man den Autofokus mit einer Beschränkung auf Entfernungen ab 3 Metern beschleunigen. Die schnellen Fokussiermotoren des Telezooms können auch einem Skater mitten im Sprung folgen. Foto: Harald Bauer Zum Zoomen werden fünf innere Linsengruppen bewegt, so dass die Länge des Objektivs wie auch bei der Fokussierung gleich bleibt und sich sein Schwerpunkt kaum verschiebt. Das verbessert das Handling, und damit sich aus der Hand auch verwacklungsfrei fotografieren lässt, ist ein optischer Bildstabilisator eingebaut, der mit dem neuen OS2-Algorithmus um bis zu 7,5 EV (also rund 180-fach) längere Belichtungszeiten bei 70 mm erlaubt (nach CIPA-Standard). Auch Mitziehaufnahmen werden unterstützt. Alternativ montiert man das Objektiv mit der Stativschelle samt Arca-Swiss-kompatiblem Fuß auf ein Stativ. Wer auch den Bereich der kurzen und mittleren Brennweiten mit derselben Lichtstärke abdecken will, kann das Telezoom mit dem 14–24 mm F2.8 DG DN | Art und dem 24–70 mm F2.8 DG DN | Art als nahtlos anschließenden Partnern ergänzen. Weitere Infos unter: www.sigma-foto.de