PIV: Die Chronik eines angekündigten Todes
Der Photoindustrie-Verband will sich zum Jahresende auflösen
Der Photoindustrie-Verband, in dem bislang knapp 30 Unternehmen des Fotomarkts organisiert sind, hat zu einer außerordentlichen Mitgliederversammlung am 11. März 2024 eingeladen, auf der die Liquidation des Verbands zum 31. Dezember 2024 beschlossen werden soll. Was ist da los?
Nach seinem Selbstverständnis ist der Photoindustrie-Verband (PIV) „die zentrale Interessenvertretung für Unternehmen, die mit ihren Produkten und Services im Markt für Foto, Video, Imaging und Bildkommunikation tätig sind. Mit rund 30 Mitgliedsunternehmen aus unterschiedlichen Branchensegmenten steht der Verband ganzheitlich für das Thema „Bild“ und ist mit seinem Mitgliedernetzwerk aus unterschiedlichen Branchensegmenten interdisziplinär verankert. (…) Ziel des Verbandes ist es, über Trends und Entwicklungen der Branche zu informieren und als Impulsgeber für die Weiterentwicklung des gesamten Imaging Ökosystems zu fungieren.“ Es ist schwer vorstellbar, dass solche Aktivitäten künftig nicht mehr nötig sein sollten.
Der weltweite Fotomarkt hatte in den vergangenen Jahren mit einem stetigen Rückgang der Umsatzzahlen zu kämpfen, was nur zu einem kleineren Teil der Pandemie anzulasten war, und sich erst 2023 wieder stabilisiert. Die Verlagerung der Fotografie von klassischen Kameras zu Smartphones und Entwicklungen wie die Verbreitung KI-generierter Bilder sind eine Herausforderung für die Fotoindustrie, die sich dazu positionieren und ihre ureigenen Interessen vertreten müsste. Aber ab 2025 werden die Mitgliedsunternehmen – mit Canon, Fujifilm, Leica, Nikon, OM Digital Solutions, Panasonic, Ricoh, Sigma und Sony sind unter anderem alle wichtigen Kamerahersteller an Bord – hier als Einzelkämpfer agieren müssen.
Anlässlich der Photopia 2023 in Hamburg hatte der PIV noch vor wenigen Monaten einen neuen Beirat gewählt, der bis 2025 im Amt bleiben sollte. Die Wahl des Vorsitzenden war für die konstituierende Beiratssitzung im November angekündigt worden, das Ergebnis wurde aber schon gar nicht mehr bekanntgegeben – nach dem 22. September 2023 gab es keine weitere Pressemeldung mehr. Vor allem gibt es keine Erklärung, weshalb die Führung des PIV keinen Sinn im Weiterleben dieses Industrieverbands mehr sieht, und so bekommt die Ankündigung der Selbstauflösung einen resignativen Beigeschmack.
Zugegeben: Die beste Zeit des PIV war schon Ende 2020 vorbei, als er das vorläufige – und, wie jeder wusste, absehbar endgültige – Ende der photokina bekannt geben musste. Die einstige internationale Leitmesse der Fotografie war vom PIV zusammen mit der Kölnmesse veranstaltet worden, zuletzt im September 2018. Die verstolperte Umstellung vom zweijährigen Zyklus auf eine jährliche Messe im Mai hatte das bereits kriselnde Messekonzept zugrunde gerichtet; es hatte dann kaum noch einer Pandemie bedurft, um der photokina den Rest zu geben.
Aber auch wenn eine Veranstaltung mit vergleichbarer internationaler Strahlkraft nicht in Sicht ist, heißt das ja nicht, dass die Fotoindustrie in Deutschland keine gemeinsamen Interessen mehr zu vertreten hätte. Immerhin trat der PIV bislang noch als ideeller Träger der Photopia Hamburg in Erscheinung, wobei „ideell“ wohl auch als Euphemismus für „Unseren Segen habt ihr, aber Geld gibt’s nicht“ aufgefasst werden konnte. An der Photopia 2024 (diesmal im Oktober, weil es nach dem Ende der Pandemie wieder schwieriger geworden ist, einen freien Platz im Messekalender zu finden) will der PIV noch letztmalig mitwirken. Vielleicht gibt es ja bei dieser Gelegenheit eine Erklärung, wie sich die Industrie die Zukunft des deutschen Fotomarktes vorstellt und wie die Unternehmen einzeln oder gemeinsam auch in Zukunft die Sache der Fotografie vertreten wollen.
Das bevorstehende Ende des PIV ist möglicherweise nur eine späte Konsequenz der Tatsache, dass es schon lange keine nennenswerte deutsche Fotoindustrie mehr gibt und die im PIV vertretenen japanischen Unternehmen keinen Sinn in einer nationalen Organisation sehen, während man selbst international agiert und die nötige Lobbyarbeit sinnvollerweise eher bei der EU in Brüssel als in Berlin ansetzen sollte.
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