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ORWO-Film: Made in GDR

Altglas-Report

Zuletzt produzierten in der Filmfabrik Wolfen 15.000 Beschäftigte auf 165 Hektar 20 Millionen Quadratmeter Rohfilm für rund 200 Filmsorten in zahllosen Konfektionierungen. Bekannt unter dem Namen ORWO, einem Kunstwort aus „Original Wolfen“. Nach 1945 stieg das Unternehmen zum DDR-Filmhersteller der Superlative auf und ORWO zur Marke des Ostens. In der BRD sorgte Heinrich Manderman für Absatz und spülte Devisen in die DDR-Staatskasse. Seine Beroflex AG war ab 1969 Vertriebspartner mit Exklusivvertrag für die Filme aus Wolfen. Nach dem ORWO-Konkurs war Manderman ab 1994 Inhaber der Markenrechte an ORWO, Praktica und Pentacon.

ORWO. ORWO-Film: Made in GDR
Auf dieser Maschine wurde 1936 der erste Mehrschichtenfarbfilm gegossen. Das farbige Papierbild für die Amateurfotografie stand erst 1951 auf der Photokina im Mittelpunkt.

Nach 1945

Wie nach dem Zweiten Weltkrieg requirierten Amerikaner und Sowjets Knowhow in Form von Patenten, Maschinen und Personal. Kodak bot später einen auf Wolfener Patenten basierenden Farbfilm an. Dennoch wuchs die Fabrik als VEB Film- und Chemiefaserfabrik Agfa Wolfen zum Alleinhersteller der Superlative. 1964 verlor der VEB den Markenrechtstreit mit Agfa und erfand das Kunstwort ORWO, welches zur Marke des Ostens wurde. Die DDR-Werbung versprach höchste Qualität, technisch blieb die Entwicklung in den 1960er Jahren stecken. Gefragt blieb das unschlagbar günstige Material in der BRD trotzdem, neue Flachkristallfilme wie Kodak T-Max waren unter bekennenden Analogliebhabern umstritten.

ORWO
Die Stempel dienten zur akribischen Kennzeichnung von Filmemulsionen. Produziert wurde im Dreischichtbetrieb in nahezu völliger Dunkelheit. Gut 50 Prozent der Beschäftigten waren Frauen.

Ab 1990

Nach der Wende konnten die ORWO-Filme gegen japanische und US-amerikanische Produkte nicht mehr bestehen. Herstellungsverfahren waren veraltet, einige Chemikalien nach westlichen Standards umweltschädlich und die Filmentwicklung nicht kompatibel zu international üblichen Standards wie dem Kodak C41-Prozess. Die Liquidation des Unternehmens machte Heinrich Manderman 1994 zum neuen Eigentümer und Inhaber der Markenrechte an ORWO. Zu seinem Imperium zählten unter anderem Exakta Foto AG, Miranda Foto GmbH und Rollei. Aus gesundheitlichen Gründen zog sich Manderman 1997 zurück. ORWO ging abermals in die Insolvenz, die Überreste wanderten erfolglos durch mehrere Hände. 2002 gelangen der ORWO Net GmbH erste Erfolge. Das Unternehmen hat sich als Laborpartner für Drogerieketten etabliert. Im Endkundengeschäft werden mit Marken wie PixelNet, Foto Quelle sowie MyFOTO Printprodukte rund ums digitale Bild angeboten und 2023 unter der Dachmarke ORWO zusammengefasst.

Industrie- und Filmmuseum Wolfen. ORWO-Film: Made in GDR
Industrie- und Filmmuseum Wolfen: Ein transparentes Großbild im verglasten Treppenhaus bietet einen virtuellen Blick auf die alte Filmfabrik.

Im Museum wird der Herstellungsprozess auf Originalmaschinen erlebbar gemacht. Durch die Anlage führen ehemalige Beschäftigte. Sie wissen unterwegs in den verschiedenen Produktionsabschnitten immer wieder zu überraschen und vermitteln hautnah, wie es sich angefühlt hat, hier zu arbeiten: bei nahezu völliger Dunkelheit, umgeben von laut lärmenden Maschinen – nur die Hitze ist heute nicht mehr spürbar.

Ehemalige ORWO-Hauptverwaltung
Die ehemalige ORWO-Hauptverwaltung dient heute als Rathaus von Bitterfeld-Wolfen.

Machenschaften

Der neue Altglas-Report (Teil IV) berichtet ausführlich über die Filmproduktion in Wolfen. Die Agfa-Filme Isochrom und Isopan verhalfen 1932 dem Kleinbildformat und der Leica zum Durchbruch. Das Verfahren („Entscheidender Sieg über das Korn!“) wurde nicht patentiert und blieb bis 1945 ein gut gehütetes Geheimnis.

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Bernd Kieckhöfel

Bernd Kieckhöfel hat einige Jahre für eine lokale Zeitung gearbeitet und eine Reihe von Fachartikeln zur Mitarbeiterführung veröffentlicht. Seit 2014 schreibt er für Fotoespresso, DOCMA, FotoMagazin sowie c't Digitale Fotografie.

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