2017 hatte die Bundeszentrale für politische Bildung eine Aufarbeitung mit wissenschaftlichem Anspruch veröffentlicht. Im Sommer 2023 machte die SED-Opferbeauftragte Zupke mit einem Bericht über Zwangsarbeit in DDR-Gefängnissen Stimmung gegen den Otto-Konzern als Verkäufer von Praktica-Kameras. DER SPIEGEL interviewte Zupke. Tom Fugmann griff das Thema mit irreführenden Zahlen auf. Sein Artikel ist immer noch online.
Unstrittig ist, dass Teile der Praktica-Gehäuse im DDR-Zuchthaus Cottbus hergestellt wurden. Doch nur den Otto-Konzern konnte die SED-Opferbeauftragte Zupke 2023 noch für den Verkauf der Kameras von 1977 bis 1980 anprangern – andere Firmen existieren nicht mehr. DER SPIEGEL enthüllte im Interview die Grundlage von Zupkes Argumentation. Unausgesprochen blieb, dass die DDR mit der ORWO-FOTO NV in Hilversum eine eigene Exportfirma unterhielt. In der BRD war die Beroflex AG bis 1990 wichtigster Importeur von Praktica- und Pentacon-Produkten, teilweise mit Exklusiv-Verträgen.
Der Kurzbetrag Kameras aus DDR-Zwangsarbeit im Otto-Katalog? von Tom Fugmann auf Tagesschau.de vom 3.7.2023 schlägt andere Töne an: „Das Zuchthaus Cottbus war eines der größten politischen Gefängnisse der DDR. Mehrere tausend Menschen waren dort eingesperrt. Fast alle mussten harte Zwangsarbeit leisten – an Stanzmaschinen und mit einfachen Werkzeugen für den Volkseigenen Betrieb (VEB) Pentacon.“ … „Mehr zu diesem und anderen Themen sehen Sie am Dienstag um 21:45 Uhr bei FAKT im Ersten.“ Gesendet wurde der Beitrag zum angekündigten Termin nicht. Der MDR veröffentlichte am Tag darauf einen sehenswerten 9-minütigen Videobeitrag mit Zeitzeugen – und hielt ansonsten den Ball flach.
Über den VEB Pentacon
Nach der Enteignung 1946 firmierte Meyer-Görlitz als „VEB Feinoptisches Werk Görlitz (FOG)“ und wurde 1968 ins Kombinat „VEB Pentacon“ integriert. 1985 lautete die offizielle Bezeichnung: „Volkseigener Betrieb Pentacon Dresden, Betrieb im Kombinat Carl Zeiss Jena, Betriebsteil VEB Feinoptisches Werk Görlitz“. Über die Produktionsbedingungen und den Niedergang des Underdogs im Schatten von Zeiss berichtet der neue Altglas-Report (Teil IV) ausführlich.
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Verstehe ich nicht:
Nach allem, was man so hört, ist es für die Knackis eine Vergünstigung, wenn sie im Bau einer sinnvollen Tätigkeit nachgehen können. So vergeht die Zeit schneller.
War das damals nicht so?
Wenn doch: Was soll der Artikel, was hat das alles mit Altglas zu tun?
Die genannte Fallstudie der Bundeszentrale für politische Bildung macht Bedingungen und Ausmaß der Zwangsarbeit für den VEB Pentacon deutlich. Das MDR-Video aus Sicht eines Zeitzeugen ergänzt die wissenschaftliche Aufarbeitung. Mit unterschiedlichen Blickwinkeln betrachten beide Beiträge die Sinnhaftigkeit der Zwangsarbeit.
Die Praktica-Kamera war mit einer Gesamtauflage von rund 9 Millionen Stück ein bedeutenender „Altglasträger“. Sie wurde ausgeliefert mit Oreston 50/1.8, Domiplan 50/2.8 oder Pentacon 50/1.8. Als OEM-Produkte wurden Kamera und Objektive in großen Stückzahlen bei Porst, Foto Quelle und anderen vertrieben.
Alles klar, danke!
In diesem Zusammenhang ist das vielleicht auch interessant. Alle Schüler hatten in der DDR die Fächer „Einführung in die sozialistische Produnktion (ESP)“ und „Produktive Arbeit (PA) in der 9. und 10. Klasse. In der 9. haben wir dort in Löbau an uralten Maschinen Spiegelgetriebe für Pentacon Kameras zusammen gesetzt. Alle 2 Wochen, jeweils Sonnabends für 4 Stunden.
Danke für die Ergänzung. Das war mir noch nicht bekannt.
Wir „durften“ für den Export Bügeleisen bauen. Privileg für Quelle und Philips für Karstadt