Realität versus KI: CSI-Zoom jetzt auch per Pixel 8 Pro-Smartphone
In DOCMA 107 zeige ich Ihnen im Artikel „KI für Fotografen“, wie Sie Fotos mit künstlicher Intelligenz auf die gewünschte Größe bringen können. Eine ähnliche Funktionalität (Enhance-Zoom) bekommt demnächst Googles neuestes Smartphone Pixel 8 Pro.
Worüber wir noch vor ein paar Jahren geschmunzelt haben
Eine magische Bildvergrößerung war schon immer eine beliebte Fantasie. Hier ein Beispiel aus Bladerunner. 1982 gedreht, ist die damalige Vorstellung eines futuristischen Monitors (ein winziger Röhren-Fernseher!) und die behäbig-klappernde Funktionsweise (die man auch aus „Alien“ kennt) aus heutiger Sicht ein Witz. Aber Sprachsteuerung und die Bildverbesserung? Genial!
Oder CSI, das auch heute noch völlig überzogene Vorstellung über die forensischen Möglichkeiten in vielen Köpfen hinterlassen hat.
Wie realistisch oder nützlich die heutigen Möglichkeiten meiner Meinung nach sind, erfahren Sie gegen Ende dieses Artikels.
Was heute schon geht
Im Video zum Tipp auf Seite 28 in der aktuellen DOCMA 107 zeige ich am zusätzlichen Beispiel eines Gletscherfotos, das im Heft nicht abgedruckt ist (manchmal lohnt es sich tatsächlich, meine Videos zu schauen, die zu den Artikeln gehören. lach), wie man mit Topaz Gigapixel das Bild extrem vergrößert und für scharfe, realistische Details sorgt.
Auch die Gesichtsrekonstruktion mit künstlicher Intelligenz kann sich sehen lassen. In DOCMA 107, Seite 32 vergleiche ich zu diesem Zweck ich verschiedene Programme.
Google Pixel 8 Pro
Dass diese Technologie nun auch auf das Smartphone kommt, zeigt, wie extrem leistungsfähig diese kleinen Geräte inzwischen sind.
„Computational Photography“ ist inzwischen schon Standard: Mein iPhone etwa nimmt ohne jedes Zutun in schneller Folge mehrere Fotos auf und verrechnet diese zu einem in allen Bereichen perfekt belichteten Bild, einer Langzeitbelichtung oder einem Panorama. Und das sieht fast immer super aus.
Auf dem „Made by Google“-Event (mehr zu den vorgestellten Neuheiten) letzten Mittwoch präsentierte Google jetzt eine ähnliche Funktion für sein Smartphone Pixel 8 Pro (soll im Dezember 2023 erscheinen, das Enhance-Zoom-Feature soll später nachgeliefert werden). Man kann nachträglich weit in ein Foto zoomen und es zuschneiden, wobei das Bild per generativer KI verbessert wird. Verpixelungen werden so vermieden.
Die Detailverbesserung an sich ist hier – für Kenner von Topaz Gigapixel AI oder Topaz Photo AI – nicht so wirklich beeindruckend, wie sie in manchen internationalen News gefeiert wird. Aber die neuartige Zoom-Funktion direkt auf dem Handy nutzen zu können, ist praktisch, beeindruckend und für jeden Handyfotografen sehr willkommen.
Pixel 8 Pro: Ist das Bladerunner- und CSI-Magie?
Ist das denn jetzt genau die futuristische Magie, mit der grenzenlos in ein Foto hineingezoomt und ein sich in kleinster Reflexion spiegelnder Täter ermittelt werden kann? Genau um solche Fragen geht es übrigens, wenn ich die neuesten Funktionen von Photoshop und Co. bei meinen Seminaren für die Phantombildzeichner der deutschen Polizei vorstelle.
Die Realität zählt
Kurz und bündig beantwortet: Nein. Egal, wie gut und überzeugend das alles werden wird: Beachten Sie auch in Zukunft immer, dass es sich hier um eine generative KI handelt. Eine solche erfindet gern Details hinzu, die im Originalbild nicht vorhanden waren. Das KANN wie im Fall von Remini oder den Topaz-Filtern sehr überzeugend wirken. Der Realität entspricht das Ergebnis möglicherweise, aber nicht notwendigerweise.
Wenn es schärfer und besser aussieht und sich größer darstellen und ausdrucken lässt, würde ich als Anglizismen-Freund bei Knipsfotos wie dem von Google gezeigten Beispiel wohl „Who cares?“ fragen. Das heißt: Wen kümmert’s?
Der Wert von KI-Verbesserungen von Fotos
Heute könnte man die ersten historischen Fotos problemlos per KI „verbessern“ (also detaillierter wirken lassen), aber das wäre vergleichbar zu (sehr fähigen!) Malern, die die frühesten erhaltenen Fotografien ergänzt und übermalt hätten. Es sieht immer besser aus, tangiert die Realität aber nur peripher. 😉
Für dokumentarische Zwecke sind solche Verbesserungen aber unbrauchbar. Um es mit einer Frage auf den Punkt zu bringen: Wer will in 20, 50, 100, 1000 Jahren in einem dann antiken Foto sehen, welche Details eine heutige KI zu einem niedrig aufgelösten Bild hinzuerfunden hat? Oder auf einer persönlicheren Ebene: Wollen Sie Ihren Enkeln einmal „Fotos“ Ihrer Vergangenheit zeigen, die erfundene Details enthalten? Kann man natürlich machen, aber es wäre unehrlich. Aber die Vergangenheit wird sowieso gern verklärt. 😉
Für forensische Aufgaben kann künstliche Intelligenz nützlich ein. Ein unscharfes Nummernschild per Enhance-Zoom lesbar zu machen, kann helfen, ein Fahrzeug zu identifizieren. Insbesondere beim Verbessern von Gesichtern ist aber Vorsicht geboten: Eine KI rekonstruiert aus einem Pixelmatsch-Bild niemals das originale Gesicht, sondern immer nur irgendein Gesicht mit erfundenen, scharfen Details, das dem ursprünglichen Pixelmatsch möglichst gut entspricht.
Bei der Rekonstruktion von Fotos kann man nur einschätzen, wie gut die KI-Verbesserung einem abgebildeten Menschen entspricht, wenn man die Person kennt. Bei einer unbekannten Person ist das ein reines Glücksspiel.
Im DOCMAshop finden Sie alle Infos zum aktuellen Heft: Das ausführliche Inhaltsverzeichnis sowie einige Seiten als Kostprobe.