Christian Dandyk: Von Zeiss, Zecken und Zingst
Christian Dandyk, Zeiss Ambassador und Naturfotograf, im Gespräch mit Maja Holm (DOCMA) über seinen ganz eigenen Weg zur Fotografie, die richtige Ausrüstung und die Kunst, sich selbst treu zu bleiben.
Er sieht aus, wie jemand, der in sich ruht. Christian Dandyk, Produkt-, Natur- und Landschaftsfotograf aus Berlin, sitzt mir gegenüber am DOCMA-Stand in Zingst. Wer er denn überhaupt sei und was er hier genau mache, möchte ich ganz frech von ihm wissen – und nehme als Entschuldigung gleich den allseits bekannten „Praktikantenstatus“ zur Hilfe. „Fotograf, natürlich!“ – nun ja, also im Grunde Fotograf, Zeiss-Botschafter, Ungewollt-Berliner, Abenteurer, Selbstverwirklicher.
Als Zeiss-Botschafter ist Christian Dandyk am Zingster Fotomarkt unterwegs und berät mögliche Kunden. Aber ich muss zugeben, dass mich „Ungewollt-Berliner“, „Abenteurer“ und „Selbstverwirklicher“ noch viel mehr interessieren. Neben ihm steht ein großer Rucksack. Das aktuell stattfindende Naturfotografie- und Umweltfestival „Horizonte Zingst“ lässt seit zehn Jahren jedes Jahr eine Horde von Trekking-Sandalen-Trägern, Fernsehteams und Fotografie-Liebhabern in den sonst beschaulichen Kurort stürmen. Überall wird geknipst, vom Stand zum Strand bis hin zum nahe gelegenen Darßer Märchenwald.
Herr Dandyk, wir befinden uns ja gerade auf dem 10. Zingster Umweltfotofestival. Jedes Jahr eine tolle Gelegenheit seine Leidenschaft für Fotografie zu erneuern. Wie haben Sie denn Ihren Weg zur Fotografie gefunden?
Ich habe mit 13 Jahren angefangen zu fotografieren. Ich hatte Glück, dass mich in meiner Heimat ein Berufsfotograf unter seine Fittiche nahm und ich so von der Pike auf alles richtig lernen konnte. Fotografie als Beruf, dass kann man sich denken, war schon damals schwierig finanziell umzusetzen. Deshalb: „Junge, mach was Richtiges!“ – und so kam es, dass ich – anstatt meinem Traum zu folgen und Fotograf zu werden – erst einmal Unternehmensberater wurde. Nichtsdestotrotz blieb es ein Leben lang mein Traum mit 50 spätestens das eigene Studio zu haben – und voilà! Mit 49 konnte ich diesen Traum meinen eigenen nennen.
Ich habe auf ihrer Website gesehen, dass Sie Architektur-, Landschafts- und Produktfotograf sind, zusätzlich auch noch Workshops in Streetphotography geben. Manche Fotografen spezialisieren sich auf ein Feld und haben damit schon genug zu tun – wie schaffen Sie es, alles unter einen Hut zu bringen?
Das Geheimnis liegt darin, die Dinge mit Überzeugung und Leidenschaft anzugehen. Ich nehme nicht jeden Auftrag an. Ich weiß, was zu mir passt und wer ich bin. Das macht das Ganze sehr viel einfacher. Seine Grenzen zu kennen und zu wissen, wie möchte ich mich selbst vertreten, erleichtert einem Leben und Gewissen ungemein.
Und welche Art der Fotografie macht Ihnen persönlich am meisten Spaß?
Die Landschaftsfotografie, ohne Zweifel. Ich liebe die unberührte Natur und was wir meistens vergessen: Wir finden sie quasi direkt vor unserer Haustür. Gut – nicht unbedingt in Berlin (lacht), aber auf jeden Fall in Deutschland. Neulich war ich im Harz unterwegs. Wunderschön, wirklich ursprünglich und gar nicht weit weg. Das ist übrigens auch gar nicht schlecht für den Geldbeutel – und ewig unterwegs ist man dadurch auch nicht. Ich packe dann meinen Rucksack und ziehe los. Oft für mehrere Tage oder Wochen, fern ab von der Zivilisation – und das in Deutschland.
Spannend! Und davon gibt es viele Orte?
Wir haben in Deutschland viele, sehr gut behütete Naturschutzgebiete. Ich weiß, es ist gerade der Hype, nach Island oder auf die Lofoten zu fahren und die Nordlichter zu fotografieren – aber auf der anderen Seite, ist das auch nichts Besonderes mehr. Doch die geheimen Wunderwerke Deutschlands festzuhalten – es mag verrückt klingen – aber auf die Idee kommen nicht viele. Ich habe hier Urwald gesehen, moosbewachsene Bäume, und Steine, bei denen Mogli gleich hätte um die Ecke hüpfen können. Ich war in den Alpen unterwegs, in Zwischentälern, in die kaum einer den Fuß reinsetzt, weil die nächste Hütte erst nach über neun Stunden Fußmarsch zu erreichen ist. Es ist spektakulär, wirklich!
Wie gehen Sie das Ganze praktisch an? So wie das aussieht, zeigen Sie mir gerade doch eine günstigere Alternative auf zum sonst so teuren Sommerurlaub…
Ich merke mir die GPS–Station der Gondel oder des Autos und laufe los. Abseits der Pfade, den Rucksack auf den Rücken. Nachdem ich dem ganzen Tag gelaufen bin, schlage ich mein Zelt auf und bleibe dort oder ziehe weiter.
Und was nehmen Sie mit?
Es ist schwierig den richtigen Rucksack zu finden. Dieser hier ist sehr praktisch, da auch genügend Platz für persönliche Gegenstände in den Seitentaschen ist. Aber ich bin da wirklich radikal: Alles wird bei mir genau abgemessen, damit ja kein Gramm zu viel dabei ist – oder wussten Sie, dass Kamerahersteller immer nur das Gewicht des Objektives ohne Kappen angeben? Das sind alles Kleingewichte, die sich summieren. Auch bei der Zahnpasta rechne ich genau aus, was ich brauche, den Rest drücke ich aus. Wozu unnötig viel mitnehmen, das Equipment wiegt schon genug. Dadurch kann ich oft fast ein halbes Kilo einsparen.
Ansonsten eben richtiges Schuhwerk, Kleidung im Zwiebelstil, das bedeutet mehrere dünne Lagen übereinander zu tragen. Aber am wichtigsten ist Wasser! Das vergessen viele. Wer so viel schleppt (etwa 22kg der Rucksack), muss auch viel trinken.
Und was essen Sie? Einen Camping-Kocher mitzuschleppen klingt nach ihrer Erzählung eher außer Frage.
Ist es auch. Essenstechnisch gibt es bei dieser Form zu reisen keine Glanzleistungen. Energieriegel, Studentenfutter – die großartigste Küche ist es nicht. Aber ich brauche ja nicht viel (er lacht) – ich wiege ja auch nicht viel!
Jetzt kommen Sie ja aber aus Berlin. Die Hauptstadt mag als „grün“ bekannt sein, aber aus eigener Erfahrung weiß ich: wirklich rauskommen tut man nicht. Wie lässt sich ihre große Naturliebe mit dem Großstadtleben vereinbaren?
Berlin war nicht meine Wahl. Meine Frau lebte in Berlin und so stand es eigentlich außer Frage dorthin zu ziehen. Vielleicht ist es aber auch der Kontrast, der mich die Natur dadurch noch mehr schätzen lässt. Wenn man sie nicht direkt vor der Haustür hat, nimmt man sie noch viel stärker wahr und kann es vielleicht mehr genießen als wenn ich sie jeden Tag hätte.
Auf der anderen Seite gibt mir Berlin auch die Möglichkeit, vielseitig zu sein und vielseitig zu bleiben. Ich finde es toll, mit Menschen in Kontakt zu sein und Workshops zu geben, wie der über Streetphotography. Es ist eine ganz eigene Welt und es lässt einen über den Horizont und sich selbst hinauswachsen – was will man mehr im Leben?
Das ist eine gute Frage. Vielen Dank Christian Dandyk für das Interview.
Christian Dandyks Liste für die Wildnis in der Heimat:
- Wasser – am besten in der Kombination mit einem Trinkschlauch
- Stirnlampe – nachts auch mit Rotlicht
- Rettungsdecke
- Notfallset
- Mückenspray
- Zeckenspray (Borreliose meint er aus Erfahrung, sei wirklich keine schöne Angelegenheit – und Zecken in Deutschlands Wildnis ein echtes Problem)
- Handwärmer (diese „Knick-Dinger“): für warme Hände, in den Schuhen für warme Füße und (das ist für die Fotografen): Um die Objektive, denn dann beschlagen diese nicht
- Funktionskleidung im Zwiebellook (aber ohne Nähte an den Schultern, die rubbeln oft die Schulter auf vom Rucksackgurt)
- Regenbekleidung
- GPS-Gerät