70 Jahre Sofortbildkamera
Gestern war es 70 Jahre her, dass Edwin H. Land der Optical Society of America seine Sofortbildkamera vorführte. 1948 kam dann das erste Kameramodell von Lands Firma Polaroid auf den Markt. Der Aufstieg der Digitalfotografie schien 60 Jahre später das Ende des Sofortbilds einzuläuten und 2008 musste Polaroid Insolvenz anmelden, aber die Sofortbildfotografie ist heute dennoch populärer denn je.
Mitte der 60er Jahre hatte ich meine erste Begegnung mit der Sofortbildfotografie. Ein Freund eines Freundes besaß eine Polaroidkamera und führte uns vor, wie er damit Schwarzweißbilder aufnehmen konnte, die sich nach kurzer Wartezeit als entwickelte Positive zeigten, wenn man das Bild aus seiner Hülle befreite, in der die Entwicklerpaste verblieb. Nach dem Trocknen des Bildes konnte man noch einen Lack aufbringen, um einen Hochglanzeffekt zu erzeugen. Von den farbigen Polaroids, die es damals auch schon gab, wusste ich noch nichts.
In einer Zeit, in der ich Wochen wartete, bis ich den endlich vollständig belichteten Film beim Fotohändler abgab, um wiederum Tage später die vergrößerten Bilder abzuholen – in einer Qualität, die den Polaroids keineswegs überlegen war –, entwickelte die Sofortbildfotografie einen immensen Reiz. Leider war sie, gemessen an meinem Taschengeld, zu teuer: Die Kameras wären noch erschwinglich gewesen – selbst die Spiegelreflex SX-70, mit der das umständliche Trennbildverfahren überflüssig wurde, war recht preisgünstig –, aber die Verbrauchskosten wirkten abschreckend.
Polaroids Filmmaterial wird heutzutage von der Firma Impossible produziert. Populärer sind allerdings die Sofortbilder von Fuji. Die instax-Filme gibt es in zwei rechteckigen Formaten; ein quadratisches Format hat Fuji auf der photokina 2016 angekündigt. Auch ein Schwarzweißmaterial ist inzwischen verfügbar. Die dazu nötigen Kameras bietet nicht nur Fuji an; Leica hat die Leica Sofort auf Basis der instax mini 90 im Angebot und auch die zweiäugige SLR TL70 von MINT verwendet das instax-Material.
Alle Arten von Sofortbildern bieten nicht nur den Vorteil, schon nach kurzer Zeit ein Bild zu zeigen – das können Digitalkameras auch, und zudem noch viel schneller. Die Sofortbilder sind aber physische Objekte; man kann sie anfassen, und sie haben eine gewisse Beständigkeit. Vor allem ist jedes Sofortbild ein Original, weshalb es nicht nur teurer als gewöhnliche Abzüge oder Ausdrucke ist – es ist auch potentiell wertvoller. Wer sein Sofortbild-Porträt mitnimmt, der kann sich sicher sein, dass niemand anderes das Bild zu sehen bekommt, wenn er es ihm nicht zeigt. Diese Eigenheit soll auch dazu geführt haben, dass Polaroids zum beliebtesten Medium für private Pornobilder wurden – kein Fotohändler und kein Laborant würde sie zu sehen bekommen und niemand könnte eine Kopie für zweifelhafte Zwecke aufbewahren. Wie verbreitet diese Nutzung tatsächlich war oder vielleicht noch immer ist, darüber wird naturgemäß nicht viel geredet.
Obwohl die Sofortbildfotografie mein Leben seit gut 50 Jahren begleitet hat, habe ich selbst nie eine Sofortbildkamera besessen. Aber wer weiß: Die MINT TL70 könnte mich wirklich begeistern, schon weil sie viel mehr Einstellmöglichkeiten als andere Modelle bietet. Es lässt sich nicht verleugnen, dass Sofortbildkameras meist recht primitive Konstruktionen mit Fixfokus-Objektiven ohne Abblendmöglichkeit sind; Digitalkameras im selben Preissegment bieten deutlich mehr. Auf ein Minimum an Gestaltungsmöglichkeiten möchte ich aber auch dann nicht verzichten, wenn ich dafür ein Sofortbild bekomme.