NFT: Der Stand der Dinge
Der Hype um Non-fungible Token (NFT) scheint abgeklungen zu sein; die Preise für einst hoch gehandelte Werke sinken. War’s das schon?
Über digitale Kunstwerke, die als NFT auf dem Kunstmarkt gehandelt werden, hatte ich hier schon mal berichtet. In DOCMA 99 („NFT – digitale Originale“, ab Seite 114) erschien mein Interview mit dem Fotografen Roman Gilz, der in einer virtuellen Galerie unter anderem seine zusammen mit Gordan Nikolić entstandenen NFTs anbietet, und in DOCMA 102 („Kynimalismus“, ab Seite 106) berichtete Chefredakteur Christoph Künne von seinen Erfahrungen als angehender NFT-Künstler. In den letzten Wochen machten nun Meldungen die Runde, die lange als Erfolgsbeispiel für NFT angesehenen Bored Apes hätten einen Großteil ihres einstigen Wertes verloren, was zu Betrugsklagen einiger Käufer führte, die sich betrogen fühlten. Lässt der Absturz der Bored Apes Rückschlüsse auf den NFT-Markt generell zu?
Die aus einem Grundmodell algorithmisch generierten gelangweilten Cartoon-Affen, mit deren Kauf man gleichzeitig eine Mitgliedschaft im virtuellen Bored Ape Yacht Club erwirbt, kamen erstmals vor zwei Jahren auf den Kunstmarkt und lösten einen clever geplanten Hype aus, der die Preise der Affen schnell in die Höhe trieb. Dass Promis mit mehr Geld als Kunstverstand schon früh darauf einstiegen, hätte eher als Warnhinweis denn als Vertrauen erweckendes Endorsement verstanden werden müssen, ebenso wie der Name Bored Apes, der von der in Kryptokreisen geprägten Wendung „to ape in“ (also mit einer Investition volle Möhre ins Risiko zu gehen) abgeleitet war. Jetzt, da die Preise dieser NFT fallen und es auch niemanden mehr zu beeindrucken scheint, dass ein Affe mal Justin Bieber gehört hat, erscheint das Geschäftsmodell des Affen-Herstellers Yuga Labs LLC wie ein Pilotenspiel. Wer früh eingestiegen ist, konnte abkassieren, was die später auf den Hype aufgesprungenen Spekulanten eingezahlt haben – und nun wohl verlieren werden.
Die Käufer lernen nun, was für den Kunstmarkt natürlich schon immer galt: Ein Kunstwerk ist nur so viel wert, wie jemand dafür zu zahlen bereit ist, und auch Originale müssen keineswegs eine Wertsteigerung erfahren oder zumindest wertstabil sein. Das spricht nicht gegen NFT, zumal es eben ganz allgemein und auch für physische Werke wie Gemälde und Skulpturen gilt. Oder für konzeptuelle Kunst wie die mit Klebeband an der Wand fixierte Banane von Maurizio Cattelan, die 2019 auf der Art Basel Miami Beach für 108.500 Euro verkauft worden war – natürlich nicht die leicht verderbliche Banane selbst, sondern das Konzept, das man jederzeit mit einer frischen Banane und einem neuen Stück Klebeband an einer beliebigen Wand nachvollziehen kann. NFT sind ein interessanter Ansatz, digitale Originale zu schaffen, die gehandelt werden können; man muss nur Interessenten finden, denen schon der in einer Blockchain bescheinigte Besitz etwas wert ist, während das digitale Werk selbst 1:1 kopiert werden kann.
Als Geldanlage sind NFT hochriskant, aber das gilt eben für Kunstwerke generell. Als Kunstsammler (in ganz kleinem Maßstab, vom finanziellen Einsatz her gesehen) rate ich, sich allein davon leiten zu lassen, ob einem ein Werk gefällt. Selbst wenn es niemals im Wert steigt, womit man rechnen muss, und die Erben am Ende nichts damit anzufangen wissen, hat man sich immer noch jahrelang an ihm erfreut. Außerdem hat man, sofern es sich um ein Werk eines lebenden Künstlers handelt und man es aus erster Hand kauft, mit seinem Kauf dazu beigetragen, dass der Künstler seine Kunst weiter ausüben kann. Apropos „Künstler“: Die meisten Werke in meiner Sammlung stammen tatsächlich von Künstlerinnen. Es heißt zwar, dass Frauen von Sammlern (und Sammlerinnen?) benachteiligt würden, aber für mich gilt das nicht. Und auch das entspringt keinem Kalkül, sondern hat sich einfach so ergeben.