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Fujinon XF 56 mm F1.2 R WR: Ein Objektiv für 40 Megapixel und mehr

„Werden die Objektive dem denn auch gerecht?“ ist die Frage, die viele anlässlich Fujis Vorstellung der X-H2 stellten, der ersten APS-C-Kamera mit 40-Megapixel-Sensor. Dabei liegt die Messlatte noch viel höher, denn im Multishot-Modus kann die X-H2 aus 20 Einzelbildern Fotos mit 160 Megapixeln erzeugen.

40 Megapixel im APS-C-Format sind ein neuer Spitzenwert, und die ersten Gerüchte über die neue Kamera ließen manche an die 6-Megapixel-sind-genug-Kampagne von 2007 denken – würde eine so hohe Sensorauflösung wirklich so eine gute Idee sein? Aber bei der 6-Megapixel-Kampagne ging es um viel kleinere Sensorformate, wie sie in den damaligen Kompaktkameras verbaut waren. Neben den 6 Megapixeln hatte die Kampagne noch eine andere, formatunabhängige Grenze gezogen: Sensorpixel sollten nicht kleiner als 3 µm werden. In 15 Jahren hat die Sensortechnik große Fortschritte gemacht, so dass man diese Grenze heute sicher anders ziehen würde, aber wie auch immer: Die Sensorpixel der X-H2 messen 3,04 µm, bleiben also innerhalb dem von der 6-Megapixel-Kampagne empfohlenen Bereich.

Fujinon XF 56 mm F1.2 R WR: Ein Objektiv für 40 Megapixel und mehr
Aufgenommen mit der X-H2 und dem XF 56 mm F1.2 R WR

Aber die Objektive, die man mit der X-H2 verwenden will, sollten nicht nur so feine Details auflösen können, dass sich ein 40-Megapixel-Sensor lohnt – der wohl in allen oder den meisten künftigen Fuji-X-Modellen stecken wird, wobei mit der X-T5 noch vor Weihnachten zu rechnen ist. Die X-H2 unterstützt mit ihrem Bildstabilisator auch einen Multishot-Modus, in dem der Sensor in halben Pixelschritten verschoben wird, so dass aus 20 Einzelbildern ein Foto mit 160 Megapixeln berechnet werden kann.

Auf diese Weise wird ein Sensor mit vierfacher Pixelzahl simuliert, aber das vom Objektiv erzeugte Bild wird dabei lediglich feiner abgetastet – wenn feinste Details optisch nicht mehr aufgelöst werden, kann weder ein höher auflösender Sensor noch ein Multishot-Modus etwas daran ändern.

Das neue Fujinon XF 56 mm F1.2 R WR

Die Methode der Auflösungssteigerung durch Verrechnung mehrerer Aufnahmen mit minimal verschobenem Sensor ist bereits von anderen Herstellern bekannt, und Fuji selbst hat sie im Mittelformatsystem GFX eingesetzt. Die X-H2 ist aber die erste Kamera mit X-Trans-Sensor, mit der dies möglich ist. Während Sensoren mit Farbfiltern im Bayer-Muster dazu 16 Einzelbilder erfordern, sind mit dem komplexeren, Farbmoiré vermeidenden X-Trans-Muster mehr Aufnahmen nötig. Gegenüber der ersten Aufnahme wird der Sensor für vier weitere Aufnahmen um ein Pixel nach links, zwei Pixel nach rechts, je ein Pixel nach links und unten, zwei Pixel nach oben und ein Pixel nach unten zurück zum Ursprung verschoben. Danach ist jeder Bildpunkt mit mindestens einem rot-, grün- und blauempfindlichen Sensorpixel abgetastet worden, so dass beim Demosaicing keine Interpolation fehlender RGB-Werte mehr nötig ist. Dieser komplexe Tanz wird dann noch dreimal wiederholt, wobei der Sensor nach jeder Folge von fünf Aufnahmen in halben Pixelschritten verschoben wird. Diese feinere Abtastung macht es möglich, mit einer für Windows und macOS erhältlichen Software aus den 20 Aufnahmen ein lineares DNG mit 160 Megapixeln zu berechnen.

Den Multishot-Modus konnte ich zwar ausprobieren, die Ergebnisse aber noch nicht beurteilen, weil Fujis Software Pixel Shift Combiner noch nicht in einer an die X-H2 angepassten Version verfügbar ist – die Kamera als solche aber schon, und zwar auch mit dem neuen XF 56 mm F1.2 R WR, das wie die X-H2 Ende September 2022 in den Handel kommen soll. In einem APS-C-System ist das eine klassische Porträt-Brennweite, der in Kleinbildsystemen 85 mm entspräche.

Vom Vorgänger XF 56 mm F1.2 R unterscheidet sich die neue Version nicht nur durch den Witterungsschutz, für den das Kürzel WR steht. Auch die optische Rechnung wurde gründlich überarbeitet, um die Bildschärfe – über die schon bisher wenig zu meckern war – im Hinblick auf den neuen 40-Megapixel-Sensor noch weiter zu verbessern. Meine Aufmerksamkeit galt allerdings vor allem dem Bokeh, also dem Charakter der Unschärfe außerhalb der Schärfenzone. Das Bokeh des XF 56 mm F1.2 R war nicht schlecht, aber doch etwas harsch – für Fuji damals Motivation genug, das Schwesterobjektiv XF 56 mm F1.2 R APD herauszubringen, in dem ein Apodisationsfilter für weichere Unschärfekreise sorgte, allerdings um den Preis einer etwas geringeren Lichtstärke und dem Verzicht auf einen Phasendetektions-Autofokus; 200 Euro teurer war es auch.

Das Fujinon XF 56 mm F1.2 R WR schafft es nun mit 13 statt wie bisher 11 Linsen und einer neu konzipierten Fokussiergruppe, gleichzeitig innerhalb der Schärfenzone noch schärfer abzubilden und diesseits wie jenseits davon eine angenehm weiche Unschärfe zu erzeugen. Seine abgerundeten 11 Blendenlamellen (der Vorgänger hat nur 7) tragen ebenfalls zum guten Bokeh bei, denn auch leicht abgeblendet bleiben die Unschärfekreise rund. Die Naheinstellgrenze, ein anderes Limit des Vorgängers, hat Fuji von 70 auf 50 Zentimeter verkürzt.

Fujinon XF 56 mm F1.2 R WR: Ein Objektiv für 40 Megapixel und mehr
Aufgenommen mit der X-H2 und dem XF 56 mm F1.2 R WR

Natürlich gibt es solche Verbesserungen nicht umsonst. Das neue Objektiv hat einen 7,2 mm größeren Durchmesser, ist 6,3 mm länger und 40 Gramm schwerer; zudem kostet es 100 Euro mehr. Gegenüber dem kompromissbehafteten XF 56 mm F1.2 R APD spart man aber immer noch 100 Euro. Die andere naheliegende Alternative, das XF 50 mm F1.0 R WR, dessen nur wenig höhere Lichtstärke viele Fotografen nicht zwingend benötigen, kostet gar 400 Euro mehr, ist deutlich größer und fast doppelt so schwer. Für Porträtfotografen scheint das neue XF 56 mm daher die ideale Wahl zu sein.

XF 56 mm F1.2 R WRXF 56 mm F1.2 RXF 50 mm F1.0 R WR
Aufbau13 Elemente in 8 Gruppen11 Elemente in 8 Gruppen12 Elemente in 9 Gruppen
Naheinstellgrenze50 cm70 cm70 cm
Blendenlamellen1179
Abmessungen79,4 mm × 76,0 mm73,2 mm × 69,7 mm87,0 mm × 103,5 mm
Filterdurchmesser67 mm62 mm77 mm
Gewicht445 Gramm405 Gramm845 Gramm
Preis1199 Euro1099 Euro1599 Euro
Das neue XF 56 mm F1.2 R WR – der Sweet Spot unter Fujis 50ern?
Fujinon XF 56 mm F1.2 R WR
Aufgenommen mit der X-H2 und dem XF 56 mm F1.2 R WR
Fujinon XF 56 mm F1.2 R WR
Aufgenommen mit der X-H2 und dem XF 56 mm F1.2 R WR
Fujinon XF 56 mm F1.2 R WR
Aufgenommen mit der X-H2 und dem XF 56 mm F1.2 R WR
Aufgenommen mit der X-H2 und dem XF 56 mm F1.2 R WR

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Michael J. Hußmann

Michael J. Hußmann gilt als führender Experte für die Technik von Kameras und Objektiven im deutschsprachigen Raum. Er hat Informatik und Linguistik studiert und für einige Jahre als Wissenschaftler im Bereich der Künstlichen Intelligenz gearbeitet.

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2 Kommentare

  1. Hallo Herr Michael J. Hußmann, danke für den augezeichneten Kommentar. Auch die Fotos sind als Beispiel hervorragend. Obwohl ich kein Fujisystem benutze, habe ich aber die Fujifilm X-H2 schon manchmal als Alternative für eine Vollformatkamera in Betracht gezogen.
    Mein Eindruck ist, dass die Differenz zwischen den Schärfezonen unserer optischen Wahrnehmungsmöglichkeiten (Winkel-Sehschärfe/angulare Sehschärfe) und den fototechnischen Möglichkeiten mit der technischen Realisation der neuen Kameras und Objektiven in der Fotografie (z. B. im Bereich der „Normalobjektive“) schon überschritten ist. Oder ermöglicht uns die Evolution unserer Augen doch noch eine höhere Sehschärfe?

    1. Danke für das Lob! Was das Auflösungsvermögen unserer Augen betrifft, kann ich wieder auf das Motto „6 Megapixel sind genug“ zurückkommen, denn wenn wir uns ein Bild aus einem normalen Betrachtungsabstand anschauen, aus dem wir es noch vollständig erfassen können, lösen wir nicht viel mehr als diese 6 Megapixel auf. Der normale Betrachtungsabstand entspricht etwa der Bilddiagonale; größere Bilder betrachten wir aus einem proportional größeren Abstand, so dass 6 Megapixel eigentlich immer ausreichen – auch für Billboards am Straßenrand. Diese Auflösung entspricht auch ungefähr dem, was früher die gängigsten Filmemulsionen im Kleinbildformat boten.

      Andererseits können wir ja auch näher an ein Bild herantreten, um Details besser erkennen zu können, und das erfordert dann eine höhere Auflösung. Am Bildschirm ist es besonders verführerisch, in ein Bild hinein zu zoomen. Und vergessen wir nicht: Der Schritt von 6 auf 40 Megapixel wie bei der X-H2 erscheint riesig, aber er erlaubt nur eine 2,6-fache lineare Vergrößerung; so viel ist das gar nicht.

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