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Das Ende der Fotografie, wie wir sie kennen

Während manche Fotografen noch debattieren, ob man störende Details retuschieren oder den Himmel ersetzen darf, tauchen immer mehr vermeintliche Fotos auf, die ohne Kamera, ohne Models und ohne echtes Licht entstanden sind. Könnte das die „Fotografie“ der Zukunft sein?

Die schleichende Verdrängung echter Fotografie durch CGI hat schon vor Jahren begonnen. Die Produktfotos, die Pressemeldungen begleiten, sind längst zum größten Teil aus 3D-Modellen gerendert statt herkömmlich fotografiert. Diese Vorgehensweise fand schon frühzeitig auch bei industriell hergestellten Lebensmitteln wie Schokoladentafeln Anwendung. Neue Automodelle werden seit langem nicht mehr für einen Fotoshoot in exotische Gegenden verschifft; allenfalls die Umgebung selbst dokumentiert ein Fotograf noch als 360-Grad-Panorama, in dem sich dann ein 3D-Modell des Autos frei platzieren und in jeder Ausstattungsvariante, aus jedem denkbaren Blickwinkel und von außen oder von innen abbilden lässt.

Das Ende der Fotografie, wie wir sie kennen
Nach dem Vorbild Ikeas setzt auch der Otto-Versand auf Katalogbilder auf CGI-Basis statt auf die herkömmliche Produktfotografie. (Bild: OTTO)

Das Möbelhaus Ikea ist dafür bekannt, im (inzwischen eingestellten) Katalog und auf der Website zu mindestens 75 Prozent auf CGI zu setzen. Diese Entwicklung begann 2006 mit einem 3D-Modell des Holzstuhls „Bertil“ und führte schließlich dazu, dass heute rund 35000 Produkte und Dekorationsobjekte in Ikeas Datenbank vorliegen. Auf dieser Basis können Bilder von immer neuen Einrichtungsvarianten gerendert werden, die sich auch für die verschiedenen nationalen Märkte und deren Kulturen anpassen lassen. Mit einer Augmented-Reality-App kann der Kunde Möbelstücke auch virtuell in der eigenen Wohnung platzieren.

Die Fotografen der konzerneigenen Kommunikationsagentur sind dadurch nicht arbeitslos geworden. Abgesehen davon, dass sie weiterhin Models fotografieren, die in die gerenderten Szenen platziert werden, wechselten einige von ihnen in die CGI-Abteilung. Umgekehrt begannen sich die 3D-Experten mit der Arbeitsweise der Fotografen auseinanderzusetzen, um in deren Begriffen denken zu lernen.

Der Otto-Versand ist diesem Vorbild gefolgt und setzt nicht nur bei Möbeln, sondern immer mehr auch in den übrigen Produktsegmenten auf CGI. Mit dem Service CGIbyOTTO wird diese Technik auch den Plattformpartnern verfügbar gemacht, die ihre Ware über Otto vertreiben. Der Versender hat angekündigt, 2,8 Millionen Euro in die CGI-Technologie zu investieren.

Mehr zum Thema „Das Ende der Fotografie“ finden sie in der aktuellen DOCMA-Ausgabe, in der Christoph Künne, Olaf Giermann und ich über aktuelle Techniken und Zukunftsperspektiven einer Fotografie ohne Kamera schreiben.

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Michael J. Hußmann

Michael J. Hußmann gilt als führender Experte für die Technik von Kameras und Objektiven im deutschsprachigen Raum. Er hat Informatik und Linguistik studiert und für einige Jahre als Wissenschaftler im Bereich der Künstlichen Intelligenz gearbeitet.

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Kommentar

  1. Dass CGI besonders bei „klinisch reinen“ Bildern, und das sind Produkt- und Werbefotos mal, Vorteile hat, ist offensichtlich. Sieht man seit vielen Jahren in der Filmbranche.
    Es war jedoch schon bei Malern vor vielen hundert Jahren so, dass diese ihre „Sets“ für eine Gemälde selbst gestaltet haben, also nicht die „Realität“ 1:1 abgebildet haben. Jetzt bieten eben Programme neue Werkzeuge, um zu einem gewünschten Ergebnis zu kommen. Das Ergebnis ist der Zweck, nicht der Weg.
    In dem Zusammenhang kann man auch noch die Frage stellen, was stark bearbeitete und retuschierte Beauty-Shots noch mit „echter“ Fotografie gemeinsam haben.

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