Kleiner Sensor, kleines Objektiv?
Oft hört man in Fotoforen Beschwerden über große Objektive für Kameras mit APS-C-Sensor, denn sollte der kleinere Sensor nicht maßstäblich kleinere Objektivkonstruktionen als der Kleinbildsensor ermöglichen? Aber einen so simplen Zusammenhang zwischen Sensor- und Objektivgröße gibt es nicht.
Eines immerhin ist richtig: Die Brennweite, die man für einen bestimmten Bildwinkel braucht, steigt proportional mit der Sensordiagonalen. Das Kleinbildformat erfordert daher 50 bis 60 Prozent längere Brennweiten als APS-C, abhängig davon, wie „APS-C“ jeweils definiert wird. Die Baulänge eines Objektivs hängt zwar nicht nur von der Brennweite, sondern auch von dessen Konstruktion ab – Telefokus-Objektive sind kürzer, Retrofokus-Objektive länger als ihre Brennweite –, aber bei einem vergleichbaren optischen Aufbau wird ein Objektiv für einen kleineren Sensor kürzer sein.
Beim Durchmesser des Objektivs ist es mit der Proportionalität vorbei. Für Normal- bis Telebrennweiten ist die Öffnung der entscheidende Faktor, der den Durchmesser vorne und den des Filtergewindes bestimmt. Wenn es um eine gleiche Bildwirkung mit gleichem Freistellungspotential geht und auch darum, dass eine bestimmte Menge Licht auf den Sensor gelangt, ist unabhängig von der Sensordiagonale die immer gleiche Öffnung nötig. Äquivalente Objektive für kleinere Sensoren sind zwar kürzer, aber ebenso dick.
Bei Weitwinkelobjektiven spielt die Öffnung, also der Durchmesser der Eintrittspupille, eine geringere Rolle. Die Eintrittspupille selbst aber sehr wohl, denn ihr Mittelpunkt ist der Perspektivpunkt, von dem aus die Kamera die Welt sieht. Wenn aus der Perspektive der Eintrittspupille ein großer Bildwinkel überschaubar sein soll, muss die Frontlinse deutlich größer als die Eintrittspupille sein: Nach dem Prinzip „Seh ich Dich nicht, siehst Du mich nicht“ können Sie sicher sein, nicht mehr auf’s Bild zu kommen, wenn Sie die Eintrittspupille beim Blick ins Objektiv nicht mehr sehen können. Der vordere Durchmesser von Weitwinkelobjektiven hängt daher vor allem vom Bildwinkel ab, unabhängig von der Sensorgröße.
Prinzipiell gibt es einen Ausweg, um große Frontlinsen bei Weitwinkeln zu vermeiden. Dazu muss das Objektiv so konstruiert sein, dass die Eintrittspupille dicht hinter der Frontlinse liegt, denn aus dieser so weit vorgeschobenen Perspektive lässt sich ein größerer Bildwinkel erfassen, selbst wenn die Frontlinse klein ist. Das geht allerdings auf Kosten der Verzeichnungskorrektur, weshalb man solche Konstruktionen typischerweise nur bei Fisheyes findet.
Und wie sieht’s am hinteren Ende aus? Die Hinterlinse eines Objektivs könnte auch einen relativ geringen Durchmesser haben, aber die Lichtstrahlen, die aus einer kleinen Hinterlinse auf die Ränder und die Ecken des Sensors treffen, tun das in einem ungünstig flachen Einfallswinkel, was zu einer Vignettierung, Farbverschiebungen und anderen Artefakten führen kann. Eine im Vergleich zum Sensor große Hinterlinse vermeidet das, und kleine Sensoren sparen an dieser Stelle tatsächlich Durchmesser und Gewicht, weil auch die Hinterlinse schrumpfen darf. Es sei denn, die Hinterlinse wäre weit vom Sensor entfernt – dann sind die Einfallswinkel ohnehin recht steil und der Durchmesser spielt keine so große Rolle mehr. Bei Teleobjektiven ist das öfter der Fall, weniger dagegen bei Weitwinkeln.
Während Kameras mit kleineren Sensoren tatsächlich mit kleineren und leichteren Objektiven ähnliche Ergebnisse wie solche mit großen Sensoren liefern können, beschränkt sich die Ersparnis vor allem auf eine Dimension – die Länge. Eine maßstabsgerechte Verkleinerung in allen Dimensionen wäre theoretisch möglich, würde aber mit Abstrichen bei der erzielbaren Bildqualität erkauft.
Bei einigen Objektiven frage ich mich allerdings doch, ob sie nicht etwas dünner sein könnten. Bei diesen Objektiven ist der Durchmesser des Filtergewindes deutlich größer als die Frontlinse.