Eingeschränktes Weltwissen

Eines der wenigen Bilder dieses Beitrags, die bei eigenen Projekten entstanden – die KI stellte bei einem Angriff auf ein Gebäude im Gaza-Streifen die – ja eigentlich gerade mitexplodierte – Rakete durchaus kreativ als todbringenden Vogel mit Flügeln und Schwanz dar. Die Zeiten von überzähligen Fingern oder durcheinandergeratenen Perspektiven bei KI-generierten Bildern sind – weitestgehend – vorbei. Dennoch gibt es immer wieder selbst auf den Galerieseiten der Systeme Bilder, die belegen, dass die KI über die wirkliche Welt wenig weiß. | Doc Baumann und Frank Kürpiers Vor einiger Zeit erhielt ich eine Mail von Frank Kürpiers, von dem ich seit vielen Jahren nichts mehr gehört hatte – er war als Vertreter eines Landeskriminalamts auf einer Tagung gewesen, die wir 2009 im Anschluss an den damaligen DOCMA-Award zum Thema digitale Bildfälschungen veranstaltet hatten. Ihm war aufgefallen, dass KI noch immer Fehler macht, auch wenn diese meist nicht mehr so ins Auge stechen wie in der Anfangszeit, und dass sich das, was ich damals über digitale Montagen und Bildlogik geschrieben hatte, auch hier anwenden lässt: Bildlogik sei eine Anforderung, die „die einheitliche Behandlung kombinierbarer Elemente beschreibt, um zu einem widerspruchsfreien und geschlossenen Ergebnis zu gelangen. Die Zielsetzung besteht darin, bei Bildmontagen konsistente Bildergebnisse zu erreichen, deren Elemente unter allen Aspekten, insbesondere visuellen, gleichartigen Bedingungen unterliegen und für einen Betrachter das entstandene Bild vom Abbild einer möglichen, identisch aussehenden Szene nicht unterscheidbar machen.“ Einen Ordner voller Beispiele schickte er gleich mit, weitere ergänzte ich mit Bildern aus den Galerien der KI-Systeme. Die Suche dort dauerte lange und ich bekam zunehmend ein schlechtes Gewissen, angesichts der vielen begeisternden Ergebnisse die paar wenigen rauszupicken, die offensichtliche – oder leicht versteckte – Fehler aufweisen. Deshalb verzichte ich auch darauf, hämisch die KI-Systeme und Nutzer zu nennen; kleine Mängel weisen auch die besten auf, doch Fehler erscheinen immer seltener. Kürzlich kritisierte ein Kommentator einen KI-Blog-Beitrag von mir, da ginge ihm „die Nüchternheit, die Unvoreingenommenheit ab. So enthusiastisch agieren Kinder im Vorschulalter, oder Leute die mit Tik Tok leben.“ Zwar nutze ich weder TikTok noch etwas anderes dieser Art – aber ich gebe es gern zu: Ja, viele KI-Bilder begeistern mich … und ich erinnere an frühere Bildkritiken zu menschlichen Urhebern. Die mittlere Säule des Portikus (links) und die Treppe (Mitte), die rechts eigentlich hinunterführen sollte, aber wieder ansteigt, könnten von M.C. Escher stammen. Das Treppenhaus rechts erinnert an Harry Potters Schlossschule Hogwarts – ins obere Stockwerk kommt man hier nicht. Anatomische Fehler wie überzählige Finger und Beine sind selten geworden, kommen aber noch vor. Die Dame in der Küche hat drei Hände, das nackte Mädchen ein seltsames Armbein, und der mittlere Kongressbesucher orientiert sich hosenmäßig am Durchschnitt seiner Nachbarn. Auch bei Tieren klappt es gelegentlich mit der Anatomie nicht so richtig: Der Elefant hat fünf Beine, drei Stoßzähne und ein Loch unterm Auge, das Pferd kann bei der Beinmenge gut mithalten. Der Prompt zum Tiger hieß ausgerechnet: „The most realistic picture possible“ – na ja! Mit korrekten Schlagschatten kommen ja schon menschliche Monteure kaum zurecht, ganz richtig ist es bei KI fast nie, aber wenn man nicht so genau hinsieht … Bei diesen drei Beispielen passen die verschiedenen Schatten nicht wirklich zu den jeweiligen Beleuchtungsbedingungen. Räumliche Verhältnisse werden schon mal durcheinandergebracht, aber vielleicht wurde das Tennisnetz ja auch nur für Wartungsarbeiten verrückt. Der Schmalbus ist wohl für besonders enge Straßen gedacht. An dem Doppelband rechts hätte bestimmt jeder Buchbinder seine Freude. Das linke Trinkglas balanciert beängstigend auf dem Tellerrand. Dass die sonnenabgewandte Seite eines Mondes dunkler dargestellt wird als der Himmel, sieht man auch bei von Menschen gemachten Bildern oft – ebenso, dass diese dunkle Seite für die Sterne dahinter durchsichtig ist. Nicht nur, dass am Strand angeschwemmte Quallen platt wie eine Flunder sind; es empfiehlt sich nicht, die Nesselfäden anzufassen. Beim Barock-Stillleben hat die KI eine Mischung aus Corona-Maske und Monatsbinde auf den Tisch gezaubert; der Mechaniker schraubt an einem Kinderauto. Feuchtfröhliche Gesellschaft – der Tisch mit Gästen schwebt über dem Pool. Der Fahrer links rast gegen die Fahrtrichtung der anderen Autos durch eine Londoner Straße. Und dank dieses Bildes wissen wir jetzt, wie die alten Ägypter ihre Steinblöcke zu den Pyramiden transportierten. Laut Prompt sollte die Frau ihre Pizza vor der Werbetafel verzehren – die KI-Lösung ist aber viel kreativer. Nach dem Abschlag schauen Golf-spieler eigentlich dem Ball hinterher. Und selbst außerirdische Insekten mit Beine-Wirrwarr brauchen etwas mehr Bodenkontakt zum Stehen. Man kann in der Küche gar nicht genug Wasserhähne haben, aber ein Becken darunter wäre noch komfortabler. Eine Wählscheibe mit nur neun Löchern erschwert manche Anrufe erheblich, und auch bei neueren Modellen ist es unüblich, dass ein Hörerteil direkt ans Ohr geklebt wird. Es kommt häufig vor, dass das Objekt einer angeforderten Zeichnung plastisch aus dem Papier aufragt. Manche Fenster lassen sich zwar nach außen öffnen – die hier gezeigte Version ist konstruktiv unüblich. Luxusjachten ganz ohne Tiefgang haben den Vorzug, überall anlanden zu können. Mit der Darstellung von Tastaturen haben KIs immer wieder Probleme, sei es bei einem Flügel im Weinberg oder bei der platzsparenden Computertastatur. Der Bürostuhl ist außerordentlich elegant, aber wahrscheinlich nicht ganz sicher und im Gebrauch wohl recht kippelig.